Mittwoch, 27. Dezember 2017

Von einem Ausflug mit den Kindern, ganz vielen Plätzchen und heißen Weihnachten

Die Feiertage sind fürs erste vorbei und die Kinder und meisten Mitarbeiter durften inzwischen nach Hause, um die Ferien dort mit ihren Familien zu verbringen. Seit gestern ist es daher ungewohnt leer im Projekt, Doreen und ich haben frei und ich habe Zeit diesen Blogeintrag zu schreiben. Ich hoffe ihr hattet alle schöne Weihnachten und ein paar entspannte und stressfreie Tage!

Diesen Monat haben wir es endlich mal geschafft, alle zusammen (Schwestern, Mitarbeiter, ältere Patienten und Kinder) einen Ausflug zum Strand zu machen, was für mich ein echtes Highlight war. Immerhin wohnen wir nur eine Viertelstunde vom Meer entfernt - von mir aus könnten wir ruhig öfter mit den Kindern zum Strand. Das Problem dabei war allerdings bisher, dass wir oft einfach keinen Fahrer hatten, der uns alle irgendwie zum Meer und wieder zurück bringt. Da aber gerade eine der Schwestern hier so eine Art Führerschein macht (also ich habe nicht wirklich viel Ahnung davon, wie das hier so abläuft, aber zumindest hat sie relativ regelmäßig Fahrstunden), hoffe ich sehr, dass wir bald öfter Ausflüge zum Meer machen können.
Kurz bevor wir losgefahren sind, hat es leider ziemlich zu regnen begonnen - Doreen und ich hatten schon Angst, das ganze Vorhaben könnte ins Wasser fallen. Doch zum Glück fuhren wir trotzdem und als wir am Strand ankamen, hatte es auch schon wieder aufgehört zu regenen. Normalerweise gehen die meisten Indonesier einfach in Klamotten baden - Menschen im Bikini sieht man wahrscheinlich nur auf Bali oder in anderen Touristengebieten. Ich nehme an, das kommt daher, dass Indonesien zu einem sehr großen Teil muslimisch ist, aber auch generell Religion - egal welche - hier eine große Rolle spielt und eigentlich immer darauf geachtet wird, dass Schultern und annähernd die Knie bedeckt sind.


In Küche und Nähkammer, meinen neuen Arbeitsbereichen für die nächste Zeit, geht es mir im großen und ganzen gut. In der Nähkammer, wo die älteren Patienten arbeiten können, wurde mir gezeigt, wie ich aus alten Plastikverpackungen kleine Taschen herstellen kann, die später vekauft werden. Die eher monotone Arbeit ist zwar recht entspannt und ich kann nebenher oft noch ein bisschen in meinem Vokabelheft lernen, aber mit der Zeit auch etwas langweilig, vorallem weil die älteren Patienten in der Nähkammer meist auf Niassisch miteinander sprechen, was ich nicht verstehe. Noch dazu sitzt neben mir am Tisch ein taubstummer Junge, was die Kommunikation doch vor ein paar Probleme stellt.
In der Küche ist zwar alles immer ein bisschen stressig, es gibt viel zu tun, dafür fühle ich mich dort eher gebraucht und verstehe ich mich mit der Mitarbeiterin und der Schwester, die dort noch arbeiten sehr gut. So haben wir beim Zwiebeln schälen, Karotten schneiden und Bangun-Bangun rupfen (ich habe keine Ahnung, wie Bangun-Bangun auf deutsch heißt, ich habe diese Pflanze noch nie zuvor gesehen!) schon öfters lauthals zusammen gesungen. Außerdem kann ich mich sehr gut während der Küchenarbeit mit der anderen Mitarbeiterin, die ungefähr in meinem Alter ist und die ich sehr mag, unterhalten. Dabei sind auch schon ein paar tiefere Gespräche entstanden, in denen sie mir anvertraut hat, was sie momentan so alles beschäftigt und womit sie sich unwohl fühlt.
Ungefähr ab diesem Zeitpunkt, haben Doreen und ich auch begonnen, vermehrt mit einem anderen Mitarbeiter über unsere, aber auch viel über seine Probleme und Gedanken zu sprechen. Weder meine noch seine Probleme gehören in irgendeiner Form in diesen Blog, aber allein dass er uns so viel anvertraut, mit uns darüber spricht und umgekehrt auch meine Probleme ernst nimmt, ist ein schönes Gefühl und wenn man bedenkt, wie schwer es uns immer noch fällt, uns auf Indonesisch gescheit auszudrücken, ist es eigentlich ein Wunder.
Durch die Gespräche mit den beiden Mitarbeitern und durch Dinge, die Doreen und mir schon öfters aufgefallen waren, die wir aber nicht richtig einordnen konnten, sind uns mit einem Mal ziemlich grundlegende Strukturen innerhalb des Projekts klar geworden: welche "Gruppen" es gibt und wer eher ausgeschlossen wird, wer über wen lästert und wer zu wem hält.

Apropos Weihnachtsbaum: so sieht
übrigens der Weihnachtsbaum in
Gunungsitoli aus
Da Doreen und ich gerne regelmäßiger große Aktionen zu zweit mit den Kindern planen und durchführen wollten, haben wir uns vorgenommen jeden Mittwoch etwas besonderes mit den Kindern zu machen. So haben wir in der Vorweihnachtszeit zum Beipiel mit den Kindern Weihnachtsbäume gemalt (eine Pappvorlage dafür habe ich am Abend zuvor noch schnell improvisiert) und diese dann mit Schnipseln von selbstklebendem Buntpapier "geschmückt". Wann anders haben wir mit den Kindern Weihnachtsplätzchen ausgestochen und mit Streußeln verziehrt. Den Teig hatten Doreen und ich zu zweit in der Küche vorbereitet (es stellte sich heraus, dass die sechsfache Menge Teig doch ein kleines bisschen zu viel ist - auch wenn so viele Kinder beim Ausstechen helfen!). Das hat nicht nur den Kindern, sondern auch Doreen und mir sehr viel Spaß gemacht und am Ende hatten wir einen ganzen Haufen sehr leckerer Weihnachtsplätzchen, von denen immer noch einige übrig sind.





Der 24. Dezember war größtenteils weniger spektakulär: Vormittags sind wir in die normale Sonntagsmesse gegangen, danach kam schon bald Besuch ins Projekt (was in letzter Zeit häufiger vorkam), der dem Projekt etwas gespendet hat. Diese Besuche laufen meist ziemlich ähnlich ab: Die Gäste werden im Aufenthalts- und Fernsehraum empfangen, dann werden ein paar Reden gehalten, Lieder vorgesungen, Spenden überreicht, getanzt und oft wird noch gemeinsam gegessen, wobei meist der Besuch geliefertes Essen mitbringt.
Auch diesmal haben wir mit dem Besuch gemeinsam Mittag gegessen und die üblichen Lieder vorgesungen. Doch nachdem der erste Besuch gegangen war, kam im Anschluss daran gleich der nächste und als wir das zweite Mal alle Lieder sangen und die standartisierten Reden hörten, wurde allen doch merkbar langweilig. Nachdem der zweite Besuch dann auch gegangen war, hatten Doreen und ich noch ein bisschen Freizeit, bis wir schließlich gemeinsam mit den Schwestern Abend gegessen haben und uns danach für den Weihnachtsgottesdienst fertig gemacht haben. Für Weihnachten wurden in der Nähkammer des Projekts extra richtig schöne Kleider für jedes Kind und jeden Mitarbeiter genäht, den Stoff für unsere Kleider haben Doreen und ich vor einiger Zeit selbst in der Stadt gekauft, was auch ein Abenteuer für sich war.
Einige der Kinder in den Kleidern

Die Kleider sind echt super schön geworden und ich werde meins bestimmt noch in Deutschland lange anziehen, aber ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass die Kleider bequem sind - das sind sie ganz und gar nicht. Es kratzt und juckt, ich konnte meine Arme nur noch eingeschränkt bewegen und vorallem schwitzt man in dem Stoff ziemlich schnell. Was nicht so vorteilhaft ist, wenn es sowieso schon 28°C draußen hat und es in einer bis an den Rand gefüllten Kirche gleich noch ein bisschen wärmer ist. Aber bis auf die hochsommerlichen Temperaturen, war der Weihnachtsgottesdienst doch sehr schön; die Hälfte der Zeit war das Licht aus und nur die Kerzen und Lichterketten in der Kirche leuchteten, bei den Weihnachtsliedern haben alle in der Kirche aus voller Kehle mitgesungen und  die Atmosphäre hat einfach gepasst.
Im Aufenthaltsraum war danach dafür nicht mehr so viel los, wir bekamen jeder ein Geschenk von der Projektleitung (eine Kuscheldecke), es wurden ein paar Fotos gemacht und recht schnell wurde der Fernseher angeschaltet. Da uns gesagt wurde, wir sollen den Kindern unsere Geschenke auch schon an Heiligabend geben, verteilten wir diese noch. Wir hatten für die Kinder als Weihnachtsgeschenk Mappen gekauft, in die wir alle ihre selbstgemalten Bilder sortiert haben. Weil es bis jetzt keinen Ort gab, an dem sie ihre Bilder sammeln konnten, hatte ich alle in meinem Zimmer aufbewahrt - im Spielzimmer sind bisher alle Bilder innerhalb einiger Tage kaputt gegangen. Auf jede Mappe haben wir noch ein schönes Foto von dem jeweiligen Kind geklebt, außerdem haben wir demnächst vor, zusammen mit den Kindern die Mappen außen noch zu bemalen und anderweitig zu verzieren. Viele der Kinder waren schon ziemlich müde, als wir die Mappen verteilt haben, aber die Kinder, die noch richtig wach waren, haben sich sehr darüber gefreut!
Anschließend bin ich in mein Zimmer hoch gegangen, um auch kurz mit meiner Familie zu telefonieren, während unten noch ca. eine halbe Stunde lang der Fernseher und ein bisschen Musik liefen. Nach dem Telefonat zog ich mir schon einmal meinen Schlafanzug an, putzte Zähne und wartete auf Doreen, da ich später meine Geschenke, die ich zuvor von meiner Familie per Post bekommen hatte, gemeinsam mit Doreen auspacken wollte (die auch noch ein paar Geschenke zum Auspacken hatte). Doreen kam erst um kurz nach zwei Uhr nachts zu mir, zu dem Zeitpunkt waren wir beide eigentlich auch schon ziemlich übermüdet, schlecht gelaunt und innerlich sehr angespannt, weswegen wir uns dann erst einmal eine Weile gestritten haben. Zwar haben wir angefangen, unsere Geschenke auszupacken, jedoch recht schnell gemerkt, dass das so nichts bringt und das ganze auf den nächsten Morgen verschoben. Da wir beide nach dem Streit nicht schlafen konnten, setzten wir uns dann um halb vier Uhr morgens noch einmal zusammen und redeten ziemlich lange, sprachen uns aus, was uns beiden sehr gut tat. Um viertel nach Vier gingen wir schließlich wirklich schlafen.

Das Frühstück am nächsten Morgen verschlief ich. Als Doreen irgendwann in mein Zimmer kam packten wir die restlichen Geschenke noch aus, danach ging es wieder in die Kirche und anschließend  gab es Mittagessen. Nachmittags legten Doreen und ich uns nochmal hin und schliefen durch bis zum Abendessen, bei dem wir den Schwestern ihre Geschenke überreichten (Seifen, auf die wir einen selbstgebastelten Weihnachts- und Neujahrsgruß geklebt hatten). Nach dem Abendessen verteilten wir auch noch Weihnachtsgeschenke an Mitarbeiter und ältere Patienten, die bekamen von uns Kekse und Trinkschokolade.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag passierte nichts besonderes mehr; vormittags noch eine Messe, nachmittags wurden die Kinder abgeholt und Doreen und ich machten es uns mit dem Laptop und einer Serie gemütlich.

Übermorgen werden Sonja und Fabia aus Siantar zu uns fliegen, eine Nacht bei uns im Projekt sein und dann wollten wir zu viert durch Nias reisen - nach vier Monaten ununterbrochener Arbeit haben wir uns das auch mehr als verdient! Die Vorstellung, schon bald ganz entspannt an den schönsten Stränden von Nias zu baden ist ziemlich toll, aber ganz ehrlich: am meisten freue ich mich aufs Ausschlafen! Leider können die beiden nur eine Woche lang hier bleiben, dann fahren sie mit der Nachtfähre zurück nach Sumatra.
Wenn ich daran denke, dass ich auch noch ein paar Fahrten mit dieser Fähre vor mir habe, graut es mich schon wieder davor, zum einen weil mir auf Schiffen immer schlecht wird, zum anderen auch, weil vor ein paar Tagen drei Menschen auf der Fähre ermordet wurden. Einige Mitarbeiter hier im Projekt haben Doreen und mir letztens einfach Videos auf Facebook gezeigt (bevor wir überhaupt wussten, um was es geht), in denen die drei Leichen auf der Fähre zu sehen sind. Ich habe schon mehrmals bemerkt, dass Indonesier mit dem Thema "Tod" anders umgehen, weshalb es für sie kein moralisches Problem darstellt, solche Videos in soziale Netzwerke zu stellen. Für Doreen und mich war das natürlich erst einmal ein großer Schock, allein schon diese Videos zu sehen. In so vielen Filmen oder Serien sieht man ständig Leichen, aber man weiß, es ist immer nur gespielt. Diese drei Toten in dem Video waren echt. Sie lagen mit aufgeschnittener Kehle in ihrem eigenen Blut auf der Fähre, auf der Doreen und ich einige Zeit zuvor saßen.
Nach diesem ersten Schock erfuhren wir allerdings später auch noch, dass die drei toten Männer wohl Geschwister waren, was ja dafür spricht, dass da jemand aus persönlichen Gründen gehandelt hat. Dass sie nun ausgerechnet auf der Fähre umgebracht wurden, ist einfach nur Zufall - das hätte wahrscheinlich genauso gut in der Stadt oder auf dem Dorf passieren können. Leid und Kriminalität gibt es nun mal überall auf der Welt, in diesem Fall hat es mich nur sehr stark beschäftigt (zumindest stark genug, um prompt nachts davon zu träumen, dass mir gruselige Typen die Kehle aufschneiden wollen). Aber letztendlich ist es auf dieser Fähre nicht unsicherer, als an jedem anderen Ort hier.

Ach so, bevor ich es vergesse, noch ein spontaner Themawechsel zum Schluss: Doreen hat sich sehr viel Mühe gegeben und ein paar Videos über unsere Zeit in Indonesien geschnitten, die sie auf Youtube hochladen will. Zwei Videos sind schon online (ein Video noch über unsere Ankunft in Indonesien, das andere ist ein Weihnachtsvideo) und es werden noch weitere folgen, allerdings möchte sie die Videos lieber nicht ganz öffentlich stellen. Die Videos sind jeweils nur über einen Link zu erreichen, den ich euch gerne schicke, wenn ihr euch die Videos anschauen wollt. Also wer Interesse hat: einfach irgendwie bei mir melden (meine E-Mailadresse findet ihr unter "Kontakt"), dann bekommt ihr von mir die Links zu den Videos. Doreen hat sehr viel Zeit und Nerven in diese Videos gesteckt, ich persönlich finde, sie sind sehr gut geworden.

Donnerstag, 7. Dezember 2017

Von meinem Tagesablauf, ungewissen Becak-Fahrten und entführten Katzenbabys

Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich hier etwas geschrieben habe - tut mit Leid! Ich war in letzter Zeit sehr mit der Arbeit und mit mir selbst beschäftigt, außerdem musste ich noch einen ausführlichen Zwischenbericht schreiben, da hatte ich erst einmal genug zu tun.
Natürlich ist in der vergangenen Zeit nicht gerade wenig passiert, darum will ich versuchen, in diesem Blogeintrag von den (aus meiner Sicht) wichtigesten Dingen zu erzählen.

Für die ersten drei Monate war ich ja zum Arbeiten in Spielzimmer und Physiotherapie eingeteilt, wobei ich deutlich mehr Zeit im Spielzimmer verbracht habe. Dort habe ich weiterhin mit den Kindern auch viel lesen, schreiben und rechnen geübt (fürs Lesen und Schreiben habe ich vor einigen Wochen spezielle Übungshefte in der Stadt gekauft), ansonsten Ball gespielt, Klatschspiele ausprobiert, Kartenspiele erklärt, gepuzzelt und natürlich weiterhin viel mit den Kindern gemalt.
Um mit den Kindern zu malen, hatte ich ja aus Deutschland die Öl-Pastell-Stifte mitgebracht. Einigen Kindern habe ich unter anderem gezeigt, wie man damit schöne Farbübergänge erschaffen kann, wie beispielsweise bei einem Regenbogen. Außerdem gibt es im Spielzimmer natürlich auch noch ganz normale Buntstifte und sogar etwas Straßenmalkreide von unseren Vorfreiwilligen habe ich dort noch im Schrank gefunden, mit der ich die Kinder draußen auf dem Weg vor dem Spielzimmer sich selbst habe malen lassen; dabei hat sich immer ein Kind auf den Boden gelegt und ein anderes Kind mit der Kreide den Umriss nachgefahren. Danach durften die Kinder ihren Kreide-Ichs noch Klamotten, Gesichter und Haare anmalen.
Zusammen mit Doreen habe ich inzwischen auch schon einige größere Mal-Aktionen gestartet, bei denen die Kinder sich unter unserer Anleitung kreativ mit Fingerfarbe austoben konnten. Dabei sind echt tolle Bilder entstanden, auf die die Kinder selbst größtenteils auch ziemlich stolz sind. Egal ob Hand- und Fußabdrücke, einfachen Spuren mit Kamm und Spielzeugauto in der Farbe oder bunt gesprenkelten Abdrücken verschiedener Blätter - jedes Bild ist ein Kunstwerk für sich.





Doreen und ich wollten aber auch gerne noch andere größere Aktionen mit den Kindern auf die Beine stellen, daher haben wir vor kurzem begonnen, den Kindern einen Tanz beizubringen. Was sich als schwieriger herausstellte, als es klingen mag. Erst einmal mussten wir einen geeigneten Tanz finden, den wir unseren Kindern leicht beibringen können - nach langem Grübeln erinnerte ich mich an "KiKa-Tanzalarm" aus meiner Kindheit. Der zweite Schritt war es nun, erstmal selbst den Tanz zu lernen, außerdem übersetzten wir den Text des Liedes in die indonesische Sprache. Den Kindern letztendlich den Tanz beizubringen, ist unkomplizierter als befürchtet, da die Kinder Spaß dabei haben und immer aufmerksam bei der Sache sind. Aber komplett können sie den Tanz noch lange nicht - wir bleiben auf jeden Fall dran!

In der Physiotherapie war ich etwas seltener, konnte dort aber auch schon einige Male zuschauen und Fragen stellen und somit herausfinden, wer was genau hat oder hatte, was hilft und was noch gemacht werden sollte, bzw was jeweils das genaue Ziel der Physiotherapie ist. Kleinere Dinge, wie z.B. das Bestrahlen mit Rotlicht und ein bisschen Massieren konnte ich hierbei auch schon übernehmen.

Damit ihr mal einen konkreteren Eindruck von meinem Alltag bekommt, ist hier mal mein Tages- bzw Wochenablauf:

Montag, Mittwoch, Donnerstag
5:30 Uhr - aufstehen, waschen, Zähne putzen, anziehen
6:00 Uhr - beim Frühstück der Kinder helfen
6:30 Uhr - gemeinsames Frühstück mit Mitarbeitern und älteren Patienten
7:00 Uhr - Morgensport mit den Kindern
7:30 Uhr - Morgengebet
7:50 Uhr - wenn das Wetter gut ist eventuell noch 15 Minuten mit den Kindern spazieren gehen, danach Spielzimmer/ Physiotherapie
10:00 Uhr - Minum (Zwischenmahlzeit) zusammen mit den Kindern, älteren Patienten und Mitarbeitern
10:30 Uhr - Spielzimmer/ Physiotherapie
12:00 Uhr - beim Mittagessen der Kinder helfen
13:00 Uhr - gemeinsames Mittagessen mit Mitarbeitern und älteren Patienten
13:30 Uhr - Mittagspause (Freizeit)
15:00 Uhr - beim Wecken, Duschen und Anziehen der Kinder helfen
15:30 Uhr - Minum für die Kinder
16:00 Uhr - Spielzimmer/ Physiotherapie
17:00 Uhr - Pause zum Duschen (Freizeit)
18:00 Uhr - beim Abendessen der Kinder helfen
18:30 Uhr - gemeinsames Abendessen mit Mitarbeitern und älteren Patienten
19:00 Uhr - Freizeit

Dienstag, Freitag
5:30 Uhr bis 17:00 Uhr - wie Montag, Mittwoch, Donnerstag
17:30 Uhr - beim Abendessen der Kinder helfen
18:00 Uhr - umziehen, fertig machen für die…
18:20 Uhr - …gemeinsame Messe in der Kapelle
19:00 Uhr - gemeinsames Abendessen mit den Schwestern und dem Pastor
20:00 Uhr - Freizeit

Samstag
5:30 Uhr bis 7:50 Uhr - wie Montag bis Freitag
Ab 7:50 Uhr - Freizeit (zum Minum und Mittagessen können wir kommen, können aber auch wegbleiben, falls wir einen Ausflug machen wollen)
15:00 Uhr - beim Wecken, Duschen und Anziehen der Kinder helfen
15:30 Uhr - Freizeit
18:00 Uhr - beim Abendessen der Kinder helfen
18:30 Uhr - gemeinsames Abendessen mit den Mitarbeitern und älteren Patienten
19:30 Uhr - gemeinsames Beten im Aufenthaltsraum
20:10 Uhr - Freizeit

Sonntag
7:00 Uhr - aufstehen, waschen, Zähne putzen, anziehen
7:30 Uhr - gemeinsames Frühstück mit den Schwestern
8:30 Uhr - Freizeit
10:00 Uhr - gemeinsame Messe in der großen Kirche im Ort
12:00 Uhr - gemeinsames Mittagessen mit den Schwestern und dem Pastor
13:00 Uhr - Freizeit
19:00 Uhr - gemeinsames Abendessen mit den Schwestern
20:00 Uhr - Freizeit

Diese Woche haben Doreen und ich unsere Arbeitsbereiche getauscht. Wenn man in meinem Tagesablauf Spielzimmer/ Physiotherapie durch Küche/ Nähzimmer ersetzt, bleibt sonst allerdings alles beim Alten und wenn ich mit Doreen zusammen weiterhin coole Aktionen für die Kinder machen will, kann ich einfach in Küche/ Nähzimmer kurz Bescheid geben (so wie Doreen es bisher immer getan hat) und dann ist das auch okay.
Beim Frühstück, Mittag- und Abendessen füttere ich immer ein bestimmtes Kind, das - na ja - mich ab und an richtig in den Wahnsinn treibt. Sie ist mit ihren drei Jahren die Jüngste hier im Projekt, ist eigentlich ein zuckersüßes Kind, hat aber einen ganz schönen Sturkopf. Sie spuckt gerne ihr Gemüse immer und immer wieder aus, schläft beim Mittagessen ein und bekommt einen Schreikrampf, wenn man sie wieder weckt. Aber inzwischen klappt es doch meist ganz gut mit ihr.

So sieht ein Becak aus
Samstags dürfen Doreeen und ich Ausflüge machen, allerdings wurde uns gesagt, wir sollen um 15 Uhr wieder zurück sein, um beim Wecken und Waschen der Kinder zu helfen, weshalb wir uns bisher nur die nähere Umgebung anschauen konnten - für größere Ausflüge reicht das nicht. Da wir uns in Fodo und Gunungsitoli inzwischen schon recht gut auskennen und auch andere Orte in der Nähe erkunden wollen, schreiben wir uns ab und zu irgendwelche zufällig auf einer Landkarte (oder Google Maps) rausgesuchten Adressen aus der Umgebung auf, halten sie den Becak-Fahrern unter die Nase und gucken, wo wir am Ende landen. Wir fragen die Becak-Fahrer zwar jedes Mal extra bevor wir einsteigen, ob sie die Adresse wirklich kennen, aber nicht selten sitzen wir letztendlich trotzdem in einem Becak, das ein paar Mal im Kreis fährt - auf dem Motorrad ein verzweifelter Fahrer, der alle paar Meter anhält und Menschen am Straßenrand fragt, ob sie die Adresse kennen.
Sofern wir dann mal am Ziel (oder irgendwo anders - wer weiß das schon so genau!) angekommen sind, laufen Doreen und ich gerne einfach planlos durch die Straßen und Gassen, auf kleinere Hügel oder auch einfach zum Meer und bekommen so ein besseres Bild von unserer Umgebung. Die eigentliche Herausforderung dabei ist dann meist, in diesen doch eher abgelegenen Gegenden wieder ein Becak zu finden, das uns dann auch zurück nach Hause bringt.
In unserer restlichen Freizeit spielen Doreen und ich ab und zu gern Volleyball, dafür gibt es neben der Kirche im Ort tatsächlich auch ein Feld. Einen Volleyball haben wir uns vor einiger Zeit in der Stadt gekauft und wenn wir uns zu zweit auf das Feld stellen und ein bisschen üben, kommen meist recht schnell auch noch andere Leute dazu, die mit uns gemeinsam Volleyball spielen wollen. Und auch wenn meine Volleyball-Skills ziemlich grottig sind (von dem halben Jahr Schulsport-Volleyball in der K1 ist leider nicht allzu viel hängen geblieben), macht es mir auf jeden Fall sehr viel Spaß!


Am 7. November hatte ich Geburtstag - es war für mich der erste Geburtstag, an dem ich nicht zuhause war. Aber Doreen hat sich ganz viel Mühe gegeben, den Tag für mich richtig schön zu gestalten, kam morgens mit einer Kerze, Luftballons und Geschenken (von ihr und von meiner Familie) in mein Zimmer und hat für mich gesungen. Während der Arbeit vormittags hat sie es geschafft, mit einer Schwester in die Stadt zu fahren, ohne dass ich etwas davon mitbekommen habe, um mir als Überraschung noch eine Geburtstagstorte zu kaufen, die wie ein Kunstwerk aussah und wirklich fantastisch geschmeckt hat. Alles in allem war dieser Tag für mich zwar ziemlich anders als sonst, aber auf eine Art und Weise dennoch toll und sehr gelungen.

Mein Leben und mein Alltag haben sich ohne Frage enorm verändert seit ich in Indonesien bin. Eine der umfassendsten Veränderungen stellt für mich die Tatsache dar, dass ich hier mit viel mehr Einschränkungen zu leben haben, als in Deutschland. Ich kann nicht einfach so und zu jeder Zeit das Projekt verlassen, ich muss immer vorher fragen. Ich muss zu bestimmten Zeiten wieder zurück sein und kann nicht einfach (wenn mir halt mal danach ist) meine Jacke schnappen und alleine loslaufen, in irgendeine Richtung, bis ich in Ruhe zuende nachgedacht habe. Ich muss mich für alles rechtfertigen, immer erklären, warum ich gerade was machen will. Damit umzugehen, ist nicht ganz einfach, aber Doreen und ich haben inzwischen ein paar Wege gefunden, diese Dinge zu ersetzen. Wenn uns gerade danach ist, legen wir uns manchmal nach dem Abendessen draußen auf den Asphalt und schauen einfach nur ganz lang in den Sternenhimmel. Und vor einigen Tagen, als wir beide das Gefühl hatten, uns dringend ein bisschen bewegen zu müssen, sind wir nach dem Abendessen die Straße runter zur Grundschule gelaufen (die ist nur ein paar Meter weiter, eigentlich direkt neben dem Rehazentrum) und sind im Regen auf dem Schulhof - dem einzigen annähernd großen, freien Platz hier in der Nähe - im Kreis gerannt, eine Runde nach der anderen. Dabei bin ich in alle Pfützen gesprungen, die ich finden konnte (vielleicht habe ich auch welche übersehen, es war ja schon dunkel!) und als wir schließlich erschöpft waren, haben wir uns auf den nassen Asphalt gelegt und die Regentropfen auf unserer Haut gespürt. Da ich, als wir zurückkehrten, sowieso schon pitschnass war, stellte ich mich auch gleich noch unter die Dusche (bzw Schöpfkelle - Dusche gibt es ja keine!), der Einfachheit halber samt meinen Klamotten - die waren ja sowieso schon durchnässt.

Letzten Samstag war der 2. Dezember. Vor einem Jahr am 2. Dezember fing unser erstes Vorbereitungsseminar in Salzkotten an, das war der Tag an dem Doreen und ich uns kennen gelernt haben. Dass wir uns erst seit einem Jahr kennen, ist eigentlich verrückt, ich habe ein bisschen das Gefühl, ich kenne sie schon mein halbes Leben.
Um den Geburtstag unserer Freundschaft ein bisschen zu feiern, sind wir in der Stadt essen gegangen - es hat hervorragend geschmeckt (nicht nur, weil es nicht Reis mit Fisch, sondern Nudeln mit Hähnchen gab!).
Anschließend wollten wir eigentlich direkt zurück fahren, allerdings entdeckte ich am Straßenrand eine schlafende, kleine Babykatze und wer mich kennt, weiß, dass ich da nicht einfach so dran vorbei gehen kann. Als ich sie gestreichelt habe, ist sie zwar aufgewacht, war aber sofort zutraulich und wollte weiter gestreichelt werden. Sie war total dünn und machte einen ziemlich kläglichen Eindruck auf mich, daher erkundigten wir uns bei den Menschen aus dem Laden nebenan, ob sie denn keine Mutter mehr habe. Nein, die Babykatze sei alleine, lautete die Antwort.
Ich schätze die Überlebenschancen einer mutterlosen, kleinen Babykatze generell nicht unbedingt sehr hoch ein, aber noch geringer schätze ich die Überlebenschancen einer mutterlosen, kleinen Babykatze im Zentrum einer großen, indonesischen Stadt direkt neben der vielbefahrenen Hauptstraße ein. Ich beschloss, dass es Zeit wurde, mal auf mein Bauchgefühl zu hören, das in dem Fall sagte: Nimm die Katze einfach mit!
Da ich nicht besonders viel Erfahrung im Kidnappen von kleinen Katzen habe, zog ich einfach meine Jacke aus, errichtete dauraus quasi ein Nest für die Katze, setzte sie hinein und wir beeilten uns, ein Becak zu finden, dass uns schnellstmöglich zurück ins Rehazentrum bringt. Falls der Becak-Fahrer verwundert war, ließ er es sich auf jeden Fall nicht anmerken.
Im Projekt leben noch einige andere Katzen, die irgendwann mal beschlossen haben, hier zu bleiben, weil es sich im Rehazentrum ganz gut (über)leben lässt; sie essen das, was beim Essen der Kinder auf den Boden fällt (was eine Menge ist!) und die Fischabfälle, die draußen in einer offenen Tonne gesammelt werden. Die Katzen werden von den Leuten hier zwar geduldet, aber wir wussten, dass die Schwestern sicher nicht begeistert davon wären, wenn sie wüssten, dass wir jetzt auch noch fremde Katzen aus der Stadt mit ins Projekt bringen, also haben wir das kleine Katzenbaby einfach still und heimlich ins Projekt geschmuggelt ("Oh, ein neues Katzenbaby, wo kommt denn das auf einmal her?").
Doreen und ich beschlossen, dass wir der kleinen Katze einen Namen geben würden, wenn sie nach drei Tagen immer noch hier im Projekt sei - sie hätte ja auch einfach wieder fortgehen und weiterziehen können.

Die Babykatze heißt jetzt Namira (das bedeutet soviel wie Tigerin), hat sich gut eingelebt und meiner Meinung nach auch schon ein bisschen an Gewicht zugenommen.

Mittwoch, 11. Oktober 2017

Von weiteren Fährfahrten, Irrwegen im Immigrationsbüro und seltsamen Tieren

00:13 Uhr
Meine Haare sind zerzaust, auf meinen Händen ist Ruß und ich liege auf einer neulich in der Stadt erworbenen Bastmatte auf dem Deck einer Fähre nach Sibolga, während durch meine Kopfhörer ein Lied von Madsen dröhnt. Zwei Monate bin ich jetzt schon in Indonesien - Zeit, mein Visum zu verlängern! Da dies aber nur auf Sumatra und nicht auf Nias möglich ist, haben Doreen und ich uns am Abend aufgemacht, um die Reise nach Sibolga anzutreten, wo wir uns wieder mit dem Visums-Menschen treffen werden.
Den Text kritzle ich gerade mit meinem Füller auf ein paar Blätter Papier, die ich bei dem Wind mühselig festhalten muss; falls dieser Blogeintrag an nachfolgenden Stellen zusammenhangslos erscheint, ist mir wahrscheinlich ein Blatt weggeflogen. Wenn ihr das hier also lest, werde ich schon zurück auf Nias sein und alles abgetippt haben.
Da es die meiste Zeit geregnet hat, ich mich aber geweigert habe, in einem Zimmer auf der Fähre zu schlafen, war das die Notlösung für die Nacht, in der wir zurück nach Nias gefahren sind. Halb an Deck, halb im Gang (regengeschützt!)

Da ich gerade keine Lust habe, meine Gedanken zu sortieren (und außerdem viel zu müde dafür bin), schreibe ich einfach mal drauf los und gebe mir größte Mühe, dennoch verständnisvoll wiederzugeben, was ich die letzten Wochen so alles erlebt habe.
Für die ersten drei Monate wurde ich zum Arbeiten in Spielzimmer und Physiotherapie eingeteilt, Doreen in Küche und Nähkammer. Die Arbeit mit den Kindern macht mir total viel Spaß und da Doreen und ich am Anfang noch gemeinsam in alle Arbeitsbereiche hineinschnuppern durften, war es für mich nach diesen zwei Wochen auch gar nicht mehr schwer, dann alleine (also nicht ganz alleine, aber halt ohne Doreen) mit den Kindern zu arbeiten.
Die Möglichkeiten im Spielzimmer, wo ich bisher die meiste Zeit gearbeitet habe, sind vielseitig; es gibt eine Wippe, zwei Schiffschaukeln (von denen eine allerdings Geräusche von sich gibt, die vermuten lassen, dass sie bald in sich zusammenfallen könnte!), drei Schaukelpferde, zwei Metallstangen zum Gehen üben, kleine Steh-Schränke (muss ich erwähnen, dass die zum Stehen üben sind?), drei Matten, die immer auf dem Boden liegen, Tische, Stühle, ein Schrank mit allen möglichen Schreib-, Mal- und Spielsachen und zu guter Letzt ein gar nicht mal so kleines Bällebad.

Ab und zu - aber nicht regelmäßig - sollen einige Kinder vormittags am Tisch im Spielzimmer auch ein bisschen lesen, rechnen und schreiben lernen. Mit einem Mädchen übe ich häufiger mal rechnen, was sowohl ihr, als auch mir anfangs etwas schwer fiel (Rechenregeln auf Indonesisch zu erklären ist verdammt schwierig!), aber schnell sehr viel besser wurde, nachdem ich in der Stadt einen Zählrahmen gekauft habe. Den fand sie dann so spitze, dass sie mehrere Tage lang die ganze Zeit über nur mit mir Matheaufgaben lösen wollte (Thomas - Ähm, nein!).
Ansonsten lasse ich mich gern von den Kindern überall hin mitziehen und spiele mit ihnen, auf was sie gerade Lust haben. Oder ich singe zusammen mit den Kindern indonesische Kinderlieder (di sini senang, di sana senang, … - ein echter Ohrwurm!). Nachmittags male ich gerne und oft mit den Kindern, dafür habe ich extra Öl-Pastell-Stifte aus Deutschland mitgebracht. Ich habe versucht den Kindern zu zeigen, wie man diese Farben mit den Fingern ineinander verwischen kann und ein paar wenige Kinder haben das auch tatsächlich verstanden und offensichtlich viel Spaß daran.


16:55 Uhr
Inzwischen sitze ich in einem kleinen Zimmer eines Klosters in Sibolga, in dem Doreen und ich freundlicherweise den Tag verbringen (=uns ausruhen) dürfen.
Verzeiht - ich hatte nachts auf der Fähre dann irgendwann doch keine Motivation mehr, weiter zu schreiben. Abgesehen davon sind Fährfahrten für mich sowieso schon immer ziemlich anstrengend, stressig und teilweise (durch die viel zu wirren, müden Gedanken) auch emotional aufwühlend. Keine gute Kombi. Dementsprechend mäßig ist meine momentane Stimmung - ach, heute ist einfach nicht mein Tag! Aber das in diesem Blog zu verheimlichen, fände ich falsch. So zu tun, als ginge es mir jeden Tag spitze, ist nicht das, was ich vermitteln möchte. Auch das Wetter gibt sein Bestes, dafür zu sorgen, dass meine Laune sich auf keinen Fall bessert; seit gestern ist es ständig am regnen, blauen Himmel habe ich schon lange nicht mehr gesehen und es ist ungewohnt kühl, nur 23°C. Winterliche Verhältnisse.

Nachdem ich heute Nacht auf der Fähre insgesamt nicht mehr als eine Stunde geschlafen habe (das war eine viel kleinere Fähre als letztes Mal. Die hat dann natürlich auch viel stärker geschaukelt), konnte ich zum Glück heute morgen nach unserer Ankunft im Kloster in dem Zimmer noch eineinhalb Stunden schlafen. Unsanft aus meinem Traum gerissen wurde ich erst, als Doreen und ich um Punkt 10 Uhr gemeinsam mit dem Visums-Menschen zum Immigrationsbüro fahren sollten. Keine 15 Minuten später standen wir auch schon in der kleinen Wartehalle, um unser Visum zu verlängern. Doreen und ich wurden einzeln in ein kleines Hinterzimmer am Ende des Ganges gerufen, um Passfotos zu machen und Fingerabdrücke nehmen zu lassen. Probleme gab es eigentlich keine - mal abgesehen von meiner ganz persönlichen Desorientierung, dank der ich es nicht mehr geschafft habe, den Weg zurück in die Wartehalle zu finden, mich stattdessen in den verwinkelten Gängen heillos verlaufen und schließlich erleichtert irgendeinen Hinterausgang gefunden habe. Zu meiner Verteidigung: ich war noch total verschlafen, ich war ja eben erst geweckt worden!
Doreens Blick, als ich schließlich von draußen durch die Eingangstüre zurück in die Wartehalle gelaufen kam, war allerdings unbezahlbar!

Ansonsten verliefen die letzten Wochen ziemlich unspektakulär; Doreens und mein erster unbegleiteter Ausflug mit dem Becak in die Stadt fühlte sich für uns zwar aufregend an, verlief allerdings tatsächlich ohne große Zwischenfälle.
Ich würde schon fast behaupten, dass ich hier inzwischen richtig angekommen bin und mich eingelebt und an alles gewöhnt habe - allerdings protestiert da mein Körper doch etwas. Besonders mein Magen-Darm-Trakt scheint sich hier noch nicht ganz so wohl zu fühlen und macht von Zeit zu Zeit ziemlich unschöne Sachen, auf deren genauere Erleuterung ich an dieser Stelle lieber verzichten werde. Zu eurem eigenen Schutz.

18:09 Uhr
So, nach einer kurzen Keks-Pause mit Doreen bin ich wieder da und schreibe weiter. Kekse sind toll! Aber wie dem auch sei, was ich noch erzählen wollte: Nervige Tiere gibt es hier in Indonesien natürlich auch eine ganze Menge. Und egal ob klein oder groß - irgendwie schaffen sie es alle in mein Zimmer. Keine Ahnung, wie die das immer wieder anstellen. Abgesehen von den weniger spektakulären, immer wieder neu aufkeimenden Ameisenstraßen quer durch mein Zimmer (die ich mit vereinten Kräften noch jedes Mal besiegen konnte), den Geckos an den Wänden und den vielen Moskitos im ganzen Raum, scheint es noch eine Art "unsichtbare Tiere" zu geben - die hört man zwar ständig, bekommt sie jedoch niemals zu Gesicht.
Bis vor ein paar Tagen gehörte ich noch zu der Sorte von Menschen, die ihre leeren Kekspackungen gerne mal für ein/ zwei Tage auf dem Stuhl im Zimmer liegen lassen (ja, Mama, ich gebe zu, dass ich gelegentlich zur Unordnung neige!). Eines Abends liege ich in meinem Bett und will gerade einschlafen, da höre ich plötzlich aus der Richtung meines Stuhls eigenartige Geräusche. Etwas raschelt. Ich stehe auf, schalte das Licht an und schaue nach.
Nichts. Nicht mal eine Ameise.
Verwirrt schalte ich das Licht aus und lege mich wieder in mein Bett. Keine Minute später höre ich dieselben Geräusche noch einmal, dann ein lautes Plopp. Ich stehe wieder auf, schalte das Licht wieder an. Die leere Kekspackung liegt auf dem Boden. Es ist dennoch weit und breit kein Tier zu sehen. Gruselig!
Ich schlafe nicht besonders gut ein an diesem Abend.

Aber nicht nur in unseren Zimmern fühlen sich die Tiere wohl, auch unsere Köpfe sind beliebt: Doreen und ich hatten schon nach kurzer Zeit Läuse, was auch kein Wunder ist, da die Kinder alle wirklich sehr viele Läuse haben. Da geht das eben schnell, dass man selbst auch welche bekommt, was ja eigentlich nicht so dramatisch ist. Doch selbst wenn Doreen und ich bei uns mit Läuseshampoo vorgehen, haben wir nach ein/ zwei Wochen neue Läuse, egal wie gut wir aufpassen. Daher haben wir beschlossen, das Läuseshampoo nur vor Zwischenseminar oder Urlaub zu benutzen und versuchen derweile regelmäßig, unsere Läuse mit dem Nissenkamm im Zaum zu halten.
Lustigerweise hat Doreen sehr viel Spaß dabei, mich zu entlausen (sie sagt, sie ist immer so stolz auf sich und freut sich, wenn sie eine Laus entdeckt!) und wenn wir uns dann noch nebenher über Gott und die Welt unterhalten und dabei Musik hören, entstehen sehr witzige Abende. Ich glaube, diese Entlausungs-Partys mit Doreen werde ich vermissen, wenn ich wieder in Deutschland bin.
Aber bis dahin dauert es ja zum Glück noch ein Weilchen und ich bin gespannt, was die nächste Zeit noch so alles mit sich bringt.
(verfasst am 10. Oktober)

Sonntag, 10. September 2017

Von einer Nacht auf der Fähre, Stromausfällen und Besuch vom Radiosender

Unsere Fähre nach Nias legte in der Hafenstadt Sibolga ab. Von Siantar nach Sibolga ist es zwar, wenn man auf der Landkarte (oder Google Maps. Ja, wahrscheinlich eher Google Maps!) nachschaut, gar nicht so weit, dennoch brauchten wir mit dem Auto sieben Stunden für die Strecke. Was daran liegen könnte, dass die Straße (zumindest streckenweise) komplett aus Kurven bestand. Ganz vielen, winzig kleinen, aneinandergereihten Kurven. Aber mit einem Kaugummi gegen Reiseübelkeit und meinem Plan, die ganze Zeit vorne aus dem Fenster zu schauen, hatte ich meinen Magen fest unter Kontrolle.
In Sibolga hatten wir noch einige Stunden Zeit, da die Fähre immer erst sehr spät abends losfährt. Die Zeit nutzen wir und trafen uns dort mit dem Visums-Mensch (ja, Thomas, ich weiß, dass der Plural von Visum "Visa" ist, aber da ich lediglich den "Menschen des Visums" beschreiben will, ist Visums-Mensch auch okay!), der sich auch die letzten Jahre immer schon darum gekümmert hat, dass das Verlängern der Visa der Freiwilligen mehr oder weniger unproblematisch klappt. Nachdem wir ihm schwerenherzens unsere Reisepässe anvertraut haben und in Sibolga zu Abend gegessen haben (Überraschung: Reis mit Fisch), machten wir uns auf den Weg zum Hafen, wo wir auf unsere Fähre warteten.
Die Schwestern, die mit uns reisten, haben uns extra ein teureres Ticket gekauft, sodass wir ein Zimmer mit zwei Betten hatten, in denen Doreen und ich schlafen durften. Theoretisch.
Da mir aber grundsätzlich auf schaukelnden Schiffen schlecht wird, wenn ich nicht die ganze Zeit wie verrückt auf den Horizont starre, versuchte ich zu erklären, dass ich lieber an Deck schlafen würde und eine der Schwestern mein Bett haben darf. Doch diese bestanden darauf, dass ich im Bett und nicht an Deck schlafen solle. Ich gab also mein Bestes, versuchte zu schlafen, was ungefähr eine halbe Stunde lang gut ging, bis mir (trotz Reiseübelkeit-Kaugummi!) schlecht wurde. Ich erklärte, dass ich raus an die frische Luft müsse, setzte mich an Deck auf den Boden und schaute eine Stunde lang auf den Horizont, bis es mir besser ging und ich wieder in das kleine Zimmer zurück schlich. Dort schlief ich wieder eine halbe Stunde, ging dann wieder raus um eine Stunde auf den Horizont zu schauen, ging wieder rein, … So verlief meine Nacht auf der Fähre in einer Endlosschleife. Aber der Sonnenaufgang sah toll aus und dann konnte man auch schon bald Nias sehen. Die Fähre legte in Gunungsitoli an, wo wir mit dem Auto abgeholt und nach Fodo in das Rehazentrum gefahren wurden, in dem wir unser Jahr verbringen.

Endlich anzukommen war ein komisches Gefühl. Wir stiegen aus dem Auto aus, sehr verschwitzt, total übermüdet (zumindest ich - Doreen hatte gut geschlafen) und etwas überfordert und wurden direkt von ganz vielen kleinen und großen Kindern umarmt, wahlweise auch an den Beinen umklammert. Dann gab es für Doreen und mich erst mal noch einen Willkommens-Kuchen (einen knallgrünen diesmal - der schmeckte aber besser, als er aussah!) und direkt nach dem Kuchen auch gleich Mittagessen (richtig: Reis mit Fisch!).
Danach bekamen wir unsere Zimmer gezeigt, so konnten wir auspacken und uns dann endlich mal richtig einrichten und mitgebrachte Fotos etc. an die Wände hängen. Da unsere Zimmer allerdings in den Berg hineingebaut sind und die Luftfeuchtigkeit hier sowieso extrem hoch ist, schimmeln alle Dinge in den Schränken (und die Schränke selbst) ziemlich schnell, weswegen wir vor einigen Tagen endlich offene Regale anstelle der Schränke für unsere Zimmer bekommen haben.

Mein Badezimmer
Mein Zimmer
Mein Zimmer

Die ersten zwei Wochen im Projekt durften Doreen und ich in allen Arbeitsbereichen wie wir wollten, reinschauen und mithelfen und uns ausprobieren. Da gibt es zum Beispiel das Spielzimmer, die Küche, die Nähkammer (in der die älteren Patienten arbeiten können, da es für sie aufgrund ihrer Behinderung oft schwer wäre, woanders eine Arbeit zu finden) und der Physiotherapieraum.
Die Kinder, aber auch die älteren Patienten und Mitarbeiter sind alle sehr nett, so konnten wir uns insgesamt gut einarbeiten und haben uns schnell eingelebt. Vieles ist natürlich noch schwer, vorallem die Verständigung fällt noch nicht so leicht. Wenn fünf kleine Kinder gleichzeitig auf Indonesisch auf einen einquatschen, kann man am Ende echt stolz auf sich sein, wenn man zumindest ein paar Wörter verstanden hat!

Da anscheinend mit unserem Visum doch noch nicht alles geklärt war, sind wir diese Woche noch mit zwei Schwestern aus dem Projekt zur Polizei nach Gunungsitoli gefahren, ausgerüstet mit Reisepass-Kopien und diversen anderen Unterlagen. Die Männer dort schauten sich unsere Unterlagen gründlich an, dann sollten dort noch ein paar Formulare für uns erstellt und gedruckt werden, die wir wohl brauchen. Das mit dem Ausdrucken gestaltete sich allerdings als eher schwierig, als der Strom plötzlich mal wieder ausfiel. Wir fuhren also zurück und am nächsten Tag noch einmal hin.
Stromausfälle gibt es hier mindestens alle zwei oder drei Tage (manchmal aber auch drei mal am selben Tag!). Als es das erste mal passierte, saßen wir mit den Schwestern beim Abendessen, draußen war es schon dunkel. Plötzlich war das Licht weg, es leuchtete nur noch eine klitzekleine Notlampe, aber alle Schwestern aßen munter weiter und taten so, als sei nichts. Doreen dagegen warf mir einen vielsagenden Blick zu - oder vielleicht eher einen nichtssagenden, ich konnte zumindest nicht viel erkennen bei dem Dämmerlicht.

Vor drei Tagen kamen Menschen von einem indonesischen Radiosender zu Besuch in das Rehazentrum. Es gab eine große Feier, bei der viel gesungen und getanzt wurde (teilweise haben auch die Kinder etwas vorgesungen oder vorgetanzt - was mit Schienen an den Beinen echt super süß aussieht!), zwischendurch wurden immer wieder Reden gehalten. Danach bekamen die Kinder noch kleine Hefte mit Bleistift und Lineal geschenkt, worüber sich alle sehr freuten.


Das Abendessen brachten auch die Leute vom Radiosender für alle mit. Jeder bekam eine kleine Box mit Essen, das - der Aufschrift der Box nach - von einem "Warung", einem kleinen Straßenimbiss, kam. Das Essen schmeckte unglaublich gut, unter anderem weil es mal Hähnchen statt Fisch zum Reis gab, mein Bauch beklagte sich allerdings schon nach einer halben Stunde mit ziemlichen Schmerzen. Aber keine Sorge - diesmal blieb es bei Bauchschmerzen. Und selbst diese waren nach einer Stunde wieder weg.

Da die ersten zwei Wochen für mich und Doreen hier im Projekt ja jetzt schon vorbei sind, fangen wir morgen auch endlich an, richtig zu arbeiten, samt festen Arbeitszeiten und zum Großteil getrennten Aufgabenbereichen; also allem, was halt so dazu gehört. Ich freue mich sehr auf die kommende Zeit und bin gespannt, was ich demnächst alles zu berichten haben werde!

Sonntag, 27. August 2017

Von Reis mit Fisch, Angkot-Fahrten und Krankenhäusern

Die ersten Tage nach unserer Ankunft waren sehr entspannt; unser Gepäck kam mit zwei Tagen Verspätung dann auch endlich an und wir bekamen viel Zeit, um uns auszuruhen und uns an alles was neu und fremd ist, ein bisschen zu gewöhnen. Das wäre zum Beispiel das Essen (morgens, mittags und abends Reis mit Fisch), die Zeitverschiebung und das immer ziemlich warme und schwüle Klima. Aber da alle immer total nett und herzlich zu uns sind, fiel uns das Eingewöhnen gar nicht so schwer.
Vormittags hatten wir oft kleinere Indonesisch-Einheiten, um die Sprache etwas besser zu lernen. Die Grammatik mag ja noch so einfach sein, aber ohne die passenden Vokabeln klappt das mit dem Indonesisch reden halt einfach nicht! Daher waren diese Lerneinheiten echt wichtig und hilfreich für uns, auch wenn mir danach immer alle möglichen Wörter kreuz und quer im Kopf rumgeschwirrt sind.

Am Sonntag durften wir dann alle zusammen einen Ausflug zum Toba-See machen. Dort ist es zwar etwas touristischer, was mich in der Ankommen-Phase wieder etwas durcheinander gebracht hat, aber dafür echt wunderschön. Mit einem kleinen Schiff sind wir zu einem Ort an der anderen Seite des Ufers gefahren, wo wir dann erstmal ins Wasser gesprungen sind und ausgiebig gebadet haben. Da es an dem Tag echt heiß war, haben wir das angenehm kühle Wasser sehr genossen.

Zum Mittagessen haben die indonesischen Schwestern für uns extra etwas schönes organisiert bzw. reserviert, wo wir gemütlich auf der Terrasse sitzen und den Reis mit Fisch essen konnten. Da diesmal allerdings alle anderen ausschließlich mit der Hand gegessen haben, wollten wir das natürlich auch tun – mit einem mäßig erfolgreichen Ergebnis. Den Fisch mit der Hand zu zerlegen und zu essen, fand ich schon schwierig genug, aber da währenddessen noch die ganze Zeit meine Nase lief und ich Schweißausbrüche hatte, weil die Soße zum Reis so scharf war, war ich mit der Gesamtsituation doch ein wenig überfordert. Aber nur ein kleines bisschen.

Am Montag sind wir dann das erste Mal nach Siantar in die Stadt rein gefahren, um Geld abzuheben und indonesische SIM-Karten für unsere Handys zu kaufen. Bei der Gelegenheit hat uns die indonesische Schwester auch gleich den Markt in Siantar gezeigt, der echt riesig, unübersichtlich und auf mehrere Stockwerke verteilt ist. Kleiner Tipp am Rande: unten nie zu nah am Rand entlang laufen – es könnten unerwartet Essensreste auf einen herab fallen (die arme Fabia hat den Schock ihres Lebens erlitten)!

Die darauffolgenden Tage haben wir genutzt, um uns alle Einsatzstellen anzuschauen, die hier in der Nähe sind. Zuerst haben wir uns das Rehabilitationszentrum „Harapan Jaya“ angeguckt, in das dieses Jahr leider keine Freiwilligen gehen. Am Tag drauf haben wir das Kinderheim „Panti Pius“ besucht, in dem Sonja ihr Jahr verbringen und arbeiten wird und am Donnerstag waren wir dann im Krankenhaus „Harapan“, welches die Einsatzstelle von Fabia sein wird.
Die Besuche liefen alle relativ ähnlich ab: Wir sind mit dem „Angkot“, das ist ein öffentlicher Mini-Bus, in die verschiedenen Projekte gefahren. Diese Angkots haben zwar ihre feste Route, Fahrpläne gibt es allerdings nicht. Man stellt sich einfach an den Straßenrand, wartet bis ein Angkot vorbeifährt und winkt ihn dann zu sich. Will man aussteigen, ruft man das dem Fahrer kurz zu und bezahlt einen niedrigen Festpreis. Da die Türen sowieso die ganze Zeit offen bleiben, kann man schnell aus- und einsteigen.
In den verschiedenen Einsatzstellen haben wir immer erst einmal Kuchen und Saft bekommen, dann wurden wir herumgeführt und konnten uns alles in Ruhe anschauen. Danach ging es wieder mit dem Angkot zurück, was meist auch problemlos klappte.

Da sich mein Körper leider doch nicht so schnell an das fremde Essen und das Klima anpassen wollte, ging es mir am Freitagabend dann allerdings zunehmend schlechter. Zum allgemeinen Bauchweh, das auch Fabia und Doreen plagte, kamen bei mir irgendwann auch noch Übelkeit, Fieber und Schwindel dazu. Ich versicherte den Schwestern immer wieder, dass ich keinen Arzt bräuchte, weil ich in diesem Moment eigentlich nur nach Hause wollte und sicher nicht in ein indonesisches Krankenhaus.
Aber als mein Kreislauf dann auch nicht mehr so recht wollte und meine Hände und Beine angefangen haben zu kribbeln, bis hin zu dem Punkt, an dem ich meine Daumen nicht mehr richtig bewegen konnte, stimmte ich dem Krankenhaus widerwillig zu. Denn wenn man so viele verantwortungsbewussten Menschen um sich hat, die sich Sorgen um einen machen, kann man sich letztendlich sowieso nicht vor einem Krankenhausbesuch drücken (falls Sie das lesen, Herr Hendel: ich hoffe Sie fühlen sich an dieser Stelle auch ein kleines bisschen angesprochen!).
Es war noch nicht ganz Mitternacht, als wir endlich im Krankenhaus ankamen. Doreen war zum Glück mit mir mitgekommen und kümmerte sich wo es nur ging um mich, wofür ich ihr unglaublich dankbar bin. Ich weiß echt nicht, was ich in dem Moment ohne sie gemacht hätte.
Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass ich höchstens eine Nacht im Krankenhaus bleiben muss, tatsächlich aber wollten sie mich noch etwas länger im Krankenhaus behalten, sodass ich erst heute Nachmittag wieder entlassen wurde. Während ich dort war, bekam ich ununterbrochen Infusionen, einige Medikamente, aber jetzt geht es mir dafür auch wieder richtig gut!

So können Doreen und ich morgen Vormittag endlich aufbrechen und uns auf den Weg nach Nias in unser Projekt machen. Wir sind beide schon ziemlich gespannt, was uns dort genau erwartet und freuen uns, übermorgen Vormittag dann endlich auf Nias zu stehen und die vielen Menschen zu treffen, mit denen wir unser Jahr verbringen dürfen.

Donnerstag, 17. August 2017

Von fehlendem Gepäck, Duschen ohne Dusche und "Merdeka!"

Als ich vorgestern im Zug zum Frankfurter Flughafen saß, wusste ich noch nicht so recht, was mich hier in Indonesien genau erwarten würde. Natürlich habe ich mir schon viele Gedanken darüber gemacht und eine super Vorbereitung gehabt, dennoch war das alles noch nicht so richtig vorstellbar, einfach noch so weit weg.
Erst im Flugzeug, habe ich dann so langsam mal realisiert, dass ich jetzt wirklich ein Jahr lang weg sein werde. Einfach so. Raus aus Deutschland und auch raus aus der Komfortzone, bedeutet das. Der Flug war lang und anstrengend und da ich nicht gerne fliege war er für mich auch sehr nervenaufreibend. Die Zeit im Flugzeug zog sich dahin, ich hatte das Gefühl, sie würde nie vergehen.

Gestern um 21 Uhr (Ortszeit) kamen wir dann endlich in Medan, das ist eine Stadt auf Sumatra, an. Unsere Koffer allerdings nicht. Meine Mitfreiwillige Doreen ist die einzige, die ihr Gepäck bekommen hat, das von Fabia, Sonja und mir ist in Singapur hängen geblieben. Aber eine nette Mitarbeiterin am Flughafen meinte, wir würden unsere Koffer morgen nachgeliefert bekommen, sie kümmere sich darum. So ging es für uns dann erstmal ohne Gepäck weiter. Die erste Woche (oder 5 Tage? Oder 10 Tage? Das weiß keiner so genau!) sind wir noch zu viert auf unserem Einführungsseminar hier auf Sumatra, irgendwo bei der Stadt Siantar.
Am Flughafen in Medan wurden wir von zwei Indonesischen Schwestern abgeholt, die uns einen Minibus samt Fahrer organisiert hatten, mit dem wir dann alle zusammen noch drei Stunden bis Siantar gefahren sind. Da es hier im Straßenverkehr nicht viele (für mich erkennbaren) Verkehrsregeln gibt, war die Fahrt sehr abenteuerlich. Der Job des Fahrers war es eigentlich, die langsameren Autos und die vielen Motorräder zu überholen und gleichzeitig den entgegenkommenden Fahrzeugen und den vielen Schlaglöchern auszuweichen. Und dabei lief dann noch indonesische Musik im Auto. War witzig.
Die erste Stunde in dem Minibus hatte ich etwas Angst um mein Leben, die zweite Stunde war ich nur noch angespannt und ab der dritten Stunde habe ich dem Fahrer einfach vertraut und war heilfroh, dass uns Freiwilligen verboten wurde, selbst in Indonesien Auto zu fahren.

Todmüde kamen wir schließlich in Siantar an, wo uns dann erst mal ganz stolz ein extra für uns gebackener Kuchen präsentiert wurde. Wir wollten nicht unhöflich sein, also saßen wir da, um ein Uhr nachts und haben mit einer indonesischen Schwester Kuchen gegessen. Danach ging es dann aber endlich in das lang ersehnte Bett.

Heute, am 17. August, ist in Indonesien ein großer Feiertag, an dem die Unabhängigkeit Indonesiens gefeiert wird. Daher war hier schon früh morgens viel los und noch als wir im Bett lagen, konnten wir durch das Fenster draußen viele Leute die Nationalhymne singen hören. Aber bevor wir uns zu den fröhlich feiernden Menschen gesellten, wollten wir erst mal duschen. Was in Indonesien allerdings eine etwas andere Bedeutung hat als in Deutschland. Unter "duschen" versteht man hier, sich neben den Abfluss im Badezimmer zu stellen und sich mit einer Schöpfkelle das aufgefangene Regenwasser über den Kopf zu kippen. Diese Variante ist immerhin wassersparend und erfüllt schließlich auch den  Zweck einer Dusche. 
Doreens und mein Badezimmer
Nach dem Frühstück sind wir dann zu der Unabhängigkeits-Feier gegangen, bei der verschiedene Gruppen in Spielen gegeneinander angetreten sind. Außerdem wurde viel gesungen und getanzt, bei jeder Gelegenheit wurde laut "Merdeka!" (deutsch: "Freiheit!") gerufen und alle hatten sichtlich Spaß.

Ich bin schon sehr gespannt auf die nächsten Tage hier und werde bestimmt bald wieder was zu berichten haben.

Freitag, 21. Juli 2017

Von Kuchen, Jakobskreuzkraut und Luftballons

Letztes Vorbereitungsseminar und Aussendungsfeier in Salzkotten


Als ich am Dienstagnachmittag nach einer langen Zugfahrt endlich in Salzkotten angekommen bin und erst mal ein großes Stück Kuchen bekommen habe, habe ich mich sofort wieder wohl und angekommen gefühlt. Ich habe mich auch riesig gefreut, die Teamer und natürlich die anderen Freiwilligen, die gleichzeitig mit mir in den verschiedensten Ländern ihr MaZ-Jahr verbringen werden, wieder zu sehen. Wir sind zusammen insgesamt siebzehn Freiwillige dieses Jahr – vierzehn Mädchen und drei Simons. Dieses fast zweiwöchige Abschlussseminar war das letzte von insgesamt fünf Seminaren, in denen wir uns gegenseitig sehr gut kennenlernen konnten. Nach all der gemeinsam verbrachten Zeit hat es sich allerdings eher angefühlt, wie eine ziemlich anstrengende (aber schöne!) Klassenfahrt.



Ich glaube es ist fast unmöglich, zwei so intensive Seminarwochen in einem Blogeintrag zusammenzufassen, aber ich gebe mein Bestes: Jeder Tag begann mit einem Morgenimpuls, den die Teamer – passend zu den Themen für den jeweiligen Tag – für uns vorbereitet haben und endete mit einem Abendimpuls, den immer zwei aus unserer Gruppe zusammen vorbereiten sollten. Meine Mitfreiwillige Doreen und ich waren ziemlich am Anfang des Seminars dran und ich fand unseren Abendimpuls auch ziemlich gelungen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich ihn quasi von meiner Religionslehrerin geklaut habe (falls Sie das hier lesen, Frau Teufel: diese Traumreise-Geschichte mit dem Steintisch und dem Teppich war echt sehr schön, danke dafür!). Es ging darin hauptsächlich um Vertrauen, auch wenn Dinge ungewiss oder nicht sicher erscheinen. Ich finde, man kann das sehr gut auf unser kommendes Jahr im Ausland übertragen, das sicher auch in vielerlei Hinsicht ungewiss ist und sein wird.

Die restliche Zeit des Seminars war meist mit „Lerneinheiten“ durchgeplant, in denen wir an verschiedenste Themen auf spielerische Art und Weise herangeführt wurden. Unter anderem wurden Themen behandelt, wie zum Beispiel Selbsterfahrung, Glaube und Gottesbild, Abschied und Tod, HIV/ Aids, Rolle Mann-Frau, Entwicklungszusammenarbeit, globales Lernen, Gewalt- und Krisensituationen, Konflikte, Stress und Stressbewältigung. Und die Selbstreflexion nach jeder Einheit, die durfte natürlich auch nicht fehlen! Es entstanden sowohl während den Einheiten selbst, als auch beim abendlichen Zusammensitzen im Aufenthaltsraum sehr schöne Gespräche mit allen möglichen Leuten, wofür ich sehr dankbar bin.


Um auch mal ein bisschen Abwechslung in den Seminar-Alltag zu bringen, wurden diverse Ausflüge unternommen; am dritten Tag sind wir alle gemeinsam mit den älteren Ordensschwestern aus dem Kloster Salzkotten zur Landesgartenschau gefahren. Jeder bekam eine Schwester im Rollstuhl zum Schieben, so entstanden viele tolle Begegnungen und interessante Gespräche. Damit das mit dem Rollstuhl-Schieben auch wirklich klappt, haben wir uns am Tag zuvor schon einmal an und in den Rollstühlen ausprobieren dürfen, was allen sichtlich Spaß gemacht hat, auch wenn wir uns dabei bewusst wurden, wie sehr so ein Rollstuhl eigentlich einschränkt.



Nach einer kurzen Seminar-Unterbrechung meinerseits, während der ich „mal eben“ mit dem Zug nach Hause gefahren bin, um mir ganz offiziell mein Abiturzeugnis abzuholen, gab es auch schon bald einen erneuten „Abend der Begegnung“ mit den Franziskanerinnen, die in dem Kloster leben. Es wurde viel geredet und gelacht und letztenendes bekam sogar jeder von uns Freiwilligen eine Patenschwester, die mit dem Freiwilligen das Jahr über Kontakt halten wird und die dadurch, und im Gebet, besonders für ihn/ sie da sein wird.



Die meiste Zeit hatten wir mit dem Wetter sehr viel Glück, doch an einem Tag regnete es ununterbrochen in Strömen. An genau diesem Tag machten wir einen Ausflug auf einen Biobauernhof, der von einem Ehepaar geführt wird, das aus zwei ehemaligen MaZlern besteht (zugegeben, drei wäre auch komisch!). Bereits nach der Führung über den Bauernhof waren alle pitschnass. Aber offensichtlich noch nicht nass genug, denn der zweite Teil der „Erlebnispädagogik auf dem Bauernhof“ bestand darin, dass wir alle zusammen das giftige Jakobskreuzkraut auf einer Wiese ausreißen sollten. Auch wenn ich bis vor kurzem noch nicht einmal wusste, dass es Jakobskreuzkraut überhaupt gibt, werde ich wahrscheinlich nie wieder vergessen, wie das aussieht!


Am 15. Juli stand dann unsere Aussendungsfeier an. Familie und Freunde von allen Freiwilligen kamen zusammen, um das Fest gemeinsam zu feiern. Sehr emotional ging es schon morgens in dem von uns Freiwilligen organisierten Gottesdienst los, während dem alle Anwesenden ihre Wünsche für uns auf kleine Zettel schreiben konnten. Außerdem sorgten wir für kleine Musik-Einlagen, schenkten unseren Eltern einen selbst gestalteten Blumentopf samt Saatgut und bekamen letztendlich auch selbst etwas von den Teamern zum Abschied überreicht.




Nach dem Gottesdienst wurden noch einmal alle Einsatzstellen von ehemaligen Freiwilligen vorgestellt, danach gab es erst noch einmal ganz viel Kuchen. Zum Abschluss schauten wir uns gemeinsam Fotos an, die während unseren Seminaren so entstanden sind und ließen dann auch endlich die im Gottesdienst auf Zettel geschriebenen Wünsche an Luftballons in den Himmel (wahlweise auch in den nächsten Baum) steigen.






Auch wenn der Abschluss wunderschön war, fiel der Abschied von allen anderen aus der Gruppe sehr schwer. Wir haben zwar alle dasselbe T-Shirt, denselben Ring und dasselbe Armand, werden aber ab Mitte August auf der ganzen Welt verteilt sein und uns erst wieder beim Rückkehrer-Seminar sehen können. Ich bin mir allerdings sicher, dass bis dahin jeder von uns ein wunderschönes und einzigartiges Jahr erleben wird.