Mittwoch, 27. Dezember 2017

Von einem Ausflug mit den Kindern, ganz vielen Plätzchen und heißen Weihnachten

Die Feiertage sind fürs erste vorbei und die Kinder und meisten Mitarbeiter durften inzwischen nach Hause, um die Ferien dort mit ihren Familien zu verbringen. Seit gestern ist es daher ungewohnt leer im Projekt, Doreen und ich haben frei und ich habe Zeit diesen Blogeintrag zu schreiben. Ich hoffe ihr hattet alle schöne Weihnachten und ein paar entspannte und stressfreie Tage!

Diesen Monat haben wir es endlich mal geschafft, alle zusammen (Schwestern, Mitarbeiter, ältere Patienten und Kinder) einen Ausflug zum Strand zu machen, was für mich ein echtes Highlight war. Immerhin wohnen wir nur eine Viertelstunde vom Meer entfernt - von mir aus könnten wir ruhig öfter mit den Kindern zum Strand. Das Problem dabei war allerdings bisher, dass wir oft einfach keinen Fahrer hatten, der uns alle irgendwie zum Meer und wieder zurück bringt. Da aber gerade eine der Schwestern hier so eine Art Führerschein macht (also ich habe nicht wirklich viel Ahnung davon, wie das hier so abläuft, aber zumindest hat sie relativ regelmäßig Fahrstunden), hoffe ich sehr, dass wir bald öfter Ausflüge zum Meer machen können.
Kurz bevor wir losgefahren sind, hat es leider ziemlich zu regnen begonnen - Doreen und ich hatten schon Angst, das ganze Vorhaben könnte ins Wasser fallen. Doch zum Glück fuhren wir trotzdem und als wir am Strand ankamen, hatte es auch schon wieder aufgehört zu regenen. Normalerweise gehen die meisten Indonesier einfach in Klamotten baden - Menschen im Bikini sieht man wahrscheinlich nur auf Bali oder in anderen Touristengebieten. Ich nehme an, das kommt daher, dass Indonesien zu einem sehr großen Teil muslimisch ist, aber auch generell Religion - egal welche - hier eine große Rolle spielt und eigentlich immer darauf geachtet wird, dass Schultern und annähernd die Knie bedeckt sind.


In Küche und Nähkammer, meinen neuen Arbeitsbereichen für die nächste Zeit, geht es mir im großen und ganzen gut. In der Nähkammer, wo die älteren Patienten arbeiten können, wurde mir gezeigt, wie ich aus alten Plastikverpackungen kleine Taschen herstellen kann, die später vekauft werden. Die eher monotone Arbeit ist zwar recht entspannt und ich kann nebenher oft noch ein bisschen in meinem Vokabelheft lernen, aber mit der Zeit auch etwas langweilig, vorallem weil die älteren Patienten in der Nähkammer meist auf Niassisch miteinander sprechen, was ich nicht verstehe. Noch dazu sitzt neben mir am Tisch ein taubstummer Junge, was die Kommunikation doch vor ein paar Probleme stellt.
In der Küche ist zwar alles immer ein bisschen stressig, es gibt viel zu tun, dafür fühle ich mich dort eher gebraucht und verstehe ich mich mit der Mitarbeiterin und der Schwester, die dort noch arbeiten sehr gut. So haben wir beim Zwiebeln schälen, Karotten schneiden und Bangun-Bangun rupfen (ich habe keine Ahnung, wie Bangun-Bangun auf deutsch heißt, ich habe diese Pflanze noch nie zuvor gesehen!) schon öfters lauthals zusammen gesungen. Außerdem kann ich mich sehr gut während der Küchenarbeit mit der anderen Mitarbeiterin, die ungefähr in meinem Alter ist und die ich sehr mag, unterhalten. Dabei sind auch schon ein paar tiefere Gespräche entstanden, in denen sie mir anvertraut hat, was sie momentan so alles beschäftigt und womit sie sich unwohl fühlt.
Ungefähr ab diesem Zeitpunkt, haben Doreen und ich auch begonnen, vermehrt mit einem anderen Mitarbeiter über unsere, aber auch viel über seine Probleme und Gedanken zu sprechen. Weder meine noch seine Probleme gehören in irgendeiner Form in diesen Blog, aber allein dass er uns so viel anvertraut, mit uns darüber spricht und umgekehrt auch meine Probleme ernst nimmt, ist ein schönes Gefühl und wenn man bedenkt, wie schwer es uns immer noch fällt, uns auf Indonesisch gescheit auszudrücken, ist es eigentlich ein Wunder.
Durch die Gespräche mit den beiden Mitarbeitern und durch Dinge, die Doreen und mir schon öfters aufgefallen waren, die wir aber nicht richtig einordnen konnten, sind uns mit einem Mal ziemlich grundlegende Strukturen innerhalb des Projekts klar geworden: welche "Gruppen" es gibt und wer eher ausgeschlossen wird, wer über wen lästert und wer zu wem hält.

Apropos Weihnachtsbaum: so sieht
übrigens der Weihnachtsbaum in
Gunungsitoli aus
Da Doreen und ich gerne regelmäßiger große Aktionen zu zweit mit den Kindern planen und durchführen wollten, haben wir uns vorgenommen jeden Mittwoch etwas besonderes mit den Kindern zu machen. So haben wir in der Vorweihnachtszeit zum Beipiel mit den Kindern Weihnachtsbäume gemalt (eine Pappvorlage dafür habe ich am Abend zuvor noch schnell improvisiert) und diese dann mit Schnipseln von selbstklebendem Buntpapier "geschmückt". Wann anders haben wir mit den Kindern Weihnachtsplätzchen ausgestochen und mit Streußeln verziehrt. Den Teig hatten Doreen und ich zu zweit in der Küche vorbereitet (es stellte sich heraus, dass die sechsfache Menge Teig doch ein kleines bisschen zu viel ist - auch wenn so viele Kinder beim Ausstechen helfen!). Das hat nicht nur den Kindern, sondern auch Doreen und mir sehr viel Spaß gemacht und am Ende hatten wir einen ganzen Haufen sehr leckerer Weihnachtsplätzchen, von denen immer noch einige übrig sind.





Der 24. Dezember war größtenteils weniger spektakulär: Vormittags sind wir in die normale Sonntagsmesse gegangen, danach kam schon bald Besuch ins Projekt (was in letzter Zeit häufiger vorkam), der dem Projekt etwas gespendet hat. Diese Besuche laufen meist ziemlich ähnlich ab: Die Gäste werden im Aufenthalts- und Fernsehraum empfangen, dann werden ein paar Reden gehalten, Lieder vorgesungen, Spenden überreicht, getanzt und oft wird noch gemeinsam gegessen, wobei meist der Besuch geliefertes Essen mitbringt.
Auch diesmal haben wir mit dem Besuch gemeinsam Mittag gegessen und die üblichen Lieder vorgesungen. Doch nachdem der erste Besuch gegangen war, kam im Anschluss daran gleich der nächste und als wir das zweite Mal alle Lieder sangen und die standartisierten Reden hörten, wurde allen doch merkbar langweilig. Nachdem der zweite Besuch dann auch gegangen war, hatten Doreen und ich noch ein bisschen Freizeit, bis wir schließlich gemeinsam mit den Schwestern Abend gegessen haben und uns danach für den Weihnachtsgottesdienst fertig gemacht haben. Für Weihnachten wurden in der Nähkammer des Projekts extra richtig schöne Kleider für jedes Kind und jeden Mitarbeiter genäht, den Stoff für unsere Kleider haben Doreen und ich vor einiger Zeit selbst in der Stadt gekauft, was auch ein Abenteuer für sich war.
Einige der Kinder in den Kleidern

Die Kleider sind echt super schön geworden und ich werde meins bestimmt noch in Deutschland lange anziehen, aber ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass die Kleider bequem sind - das sind sie ganz und gar nicht. Es kratzt und juckt, ich konnte meine Arme nur noch eingeschränkt bewegen und vorallem schwitzt man in dem Stoff ziemlich schnell. Was nicht so vorteilhaft ist, wenn es sowieso schon 28°C draußen hat und es in einer bis an den Rand gefüllten Kirche gleich noch ein bisschen wärmer ist. Aber bis auf die hochsommerlichen Temperaturen, war der Weihnachtsgottesdienst doch sehr schön; die Hälfte der Zeit war das Licht aus und nur die Kerzen und Lichterketten in der Kirche leuchteten, bei den Weihnachtsliedern haben alle in der Kirche aus voller Kehle mitgesungen und  die Atmosphäre hat einfach gepasst.
Im Aufenthaltsraum war danach dafür nicht mehr so viel los, wir bekamen jeder ein Geschenk von der Projektleitung (eine Kuscheldecke), es wurden ein paar Fotos gemacht und recht schnell wurde der Fernseher angeschaltet. Da uns gesagt wurde, wir sollen den Kindern unsere Geschenke auch schon an Heiligabend geben, verteilten wir diese noch. Wir hatten für die Kinder als Weihnachtsgeschenk Mappen gekauft, in die wir alle ihre selbstgemalten Bilder sortiert haben. Weil es bis jetzt keinen Ort gab, an dem sie ihre Bilder sammeln konnten, hatte ich alle in meinem Zimmer aufbewahrt - im Spielzimmer sind bisher alle Bilder innerhalb einiger Tage kaputt gegangen. Auf jede Mappe haben wir noch ein schönes Foto von dem jeweiligen Kind geklebt, außerdem haben wir demnächst vor, zusammen mit den Kindern die Mappen außen noch zu bemalen und anderweitig zu verzieren. Viele der Kinder waren schon ziemlich müde, als wir die Mappen verteilt haben, aber die Kinder, die noch richtig wach waren, haben sich sehr darüber gefreut!
Anschließend bin ich in mein Zimmer hoch gegangen, um auch kurz mit meiner Familie zu telefonieren, während unten noch ca. eine halbe Stunde lang der Fernseher und ein bisschen Musik liefen. Nach dem Telefonat zog ich mir schon einmal meinen Schlafanzug an, putzte Zähne und wartete auf Doreen, da ich später meine Geschenke, die ich zuvor von meiner Familie per Post bekommen hatte, gemeinsam mit Doreen auspacken wollte (die auch noch ein paar Geschenke zum Auspacken hatte). Doreen kam erst um kurz nach zwei Uhr nachts zu mir, zu dem Zeitpunkt waren wir beide eigentlich auch schon ziemlich übermüdet, schlecht gelaunt und innerlich sehr angespannt, weswegen wir uns dann erst einmal eine Weile gestritten haben. Zwar haben wir angefangen, unsere Geschenke auszupacken, jedoch recht schnell gemerkt, dass das so nichts bringt und das ganze auf den nächsten Morgen verschoben. Da wir beide nach dem Streit nicht schlafen konnten, setzten wir uns dann um halb vier Uhr morgens noch einmal zusammen und redeten ziemlich lange, sprachen uns aus, was uns beiden sehr gut tat. Um viertel nach Vier gingen wir schließlich wirklich schlafen.

Das Frühstück am nächsten Morgen verschlief ich. Als Doreen irgendwann in mein Zimmer kam packten wir die restlichen Geschenke noch aus, danach ging es wieder in die Kirche und anschließend  gab es Mittagessen. Nachmittags legten Doreen und ich uns nochmal hin und schliefen durch bis zum Abendessen, bei dem wir den Schwestern ihre Geschenke überreichten (Seifen, auf die wir einen selbstgebastelten Weihnachts- und Neujahrsgruß geklebt hatten). Nach dem Abendessen verteilten wir auch noch Weihnachtsgeschenke an Mitarbeiter und ältere Patienten, die bekamen von uns Kekse und Trinkschokolade.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag passierte nichts besonderes mehr; vormittags noch eine Messe, nachmittags wurden die Kinder abgeholt und Doreen und ich machten es uns mit dem Laptop und einer Serie gemütlich.

Übermorgen werden Sonja und Fabia aus Siantar zu uns fliegen, eine Nacht bei uns im Projekt sein und dann wollten wir zu viert durch Nias reisen - nach vier Monaten ununterbrochener Arbeit haben wir uns das auch mehr als verdient! Die Vorstellung, schon bald ganz entspannt an den schönsten Stränden von Nias zu baden ist ziemlich toll, aber ganz ehrlich: am meisten freue ich mich aufs Ausschlafen! Leider können die beiden nur eine Woche lang hier bleiben, dann fahren sie mit der Nachtfähre zurück nach Sumatra.
Wenn ich daran denke, dass ich auch noch ein paar Fahrten mit dieser Fähre vor mir habe, graut es mich schon wieder davor, zum einen weil mir auf Schiffen immer schlecht wird, zum anderen auch, weil vor ein paar Tagen drei Menschen auf der Fähre ermordet wurden. Einige Mitarbeiter hier im Projekt haben Doreen und mir letztens einfach Videos auf Facebook gezeigt (bevor wir überhaupt wussten, um was es geht), in denen die drei Leichen auf der Fähre zu sehen sind. Ich habe schon mehrmals bemerkt, dass Indonesier mit dem Thema "Tod" anders umgehen, weshalb es für sie kein moralisches Problem darstellt, solche Videos in soziale Netzwerke zu stellen. Für Doreen und mich war das natürlich erst einmal ein großer Schock, allein schon diese Videos zu sehen. In so vielen Filmen oder Serien sieht man ständig Leichen, aber man weiß, es ist immer nur gespielt. Diese drei Toten in dem Video waren echt. Sie lagen mit aufgeschnittener Kehle in ihrem eigenen Blut auf der Fähre, auf der Doreen und ich einige Zeit zuvor saßen.
Nach diesem ersten Schock erfuhren wir allerdings später auch noch, dass die drei toten Männer wohl Geschwister waren, was ja dafür spricht, dass da jemand aus persönlichen Gründen gehandelt hat. Dass sie nun ausgerechnet auf der Fähre umgebracht wurden, ist einfach nur Zufall - das hätte wahrscheinlich genauso gut in der Stadt oder auf dem Dorf passieren können. Leid und Kriminalität gibt es nun mal überall auf der Welt, in diesem Fall hat es mich nur sehr stark beschäftigt (zumindest stark genug, um prompt nachts davon zu träumen, dass mir gruselige Typen die Kehle aufschneiden wollen). Aber letztendlich ist es auf dieser Fähre nicht unsicherer, als an jedem anderen Ort hier.

Ach so, bevor ich es vergesse, noch ein spontaner Themawechsel zum Schluss: Doreen hat sich sehr viel Mühe gegeben und ein paar Videos über unsere Zeit in Indonesien geschnitten, die sie auf Youtube hochladen will. Zwei Videos sind schon online (ein Video noch über unsere Ankunft in Indonesien, das andere ist ein Weihnachtsvideo) und es werden noch weitere folgen, allerdings möchte sie die Videos lieber nicht ganz öffentlich stellen. Die Videos sind jeweils nur über einen Link zu erreichen, den ich euch gerne schicke, wenn ihr euch die Videos anschauen wollt. Also wer Interesse hat: einfach irgendwie bei mir melden (meine E-Mailadresse findet ihr unter "Kontakt"), dann bekommt ihr von mir die Links zu den Videos. Doreen hat sehr viel Zeit und Nerven in diese Videos gesteckt, ich persönlich finde, sie sind sehr gut geworden.

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