Sonntag, 10. September 2017

Von einer Nacht auf der Fähre, Stromausfällen und Besuch vom Radiosender

Unsere Fähre nach Nias legte in der Hafenstadt Sibolga ab. Von Siantar nach Sibolga ist es zwar, wenn man auf der Landkarte (oder Google Maps. Ja, wahrscheinlich eher Google Maps!) nachschaut, gar nicht so weit, dennoch brauchten wir mit dem Auto sieben Stunden für die Strecke. Was daran liegen könnte, dass die Straße (zumindest streckenweise) komplett aus Kurven bestand. Ganz vielen, winzig kleinen, aneinandergereihten Kurven. Aber mit einem Kaugummi gegen Reiseübelkeit und meinem Plan, die ganze Zeit vorne aus dem Fenster zu schauen, hatte ich meinen Magen fest unter Kontrolle.
In Sibolga hatten wir noch einige Stunden Zeit, da die Fähre immer erst sehr spät abends losfährt. Die Zeit nutzen wir und trafen uns dort mit dem Visums-Mensch (ja, Thomas, ich weiß, dass der Plural von Visum "Visa" ist, aber da ich lediglich den "Menschen des Visums" beschreiben will, ist Visums-Mensch auch okay!), der sich auch die letzten Jahre immer schon darum gekümmert hat, dass das Verlängern der Visa der Freiwilligen mehr oder weniger unproblematisch klappt. Nachdem wir ihm schwerenherzens unsere Reisepässe anvertraut haben und in Sibolga zu Abend gegessen haben (Überraschung: Reis mit Fisch), machten wir uns auf den Weg zum Hafen, wo wir auf unsere Fähre warteten.
Die Schwestern, die mit uns reisten, haben uns extra ein teureres Ticket gekauft, sodass wir ein Zimmer mit zwei Betten hatten, in denen Doreen und ich schlafen durften. Theoretisch.
Da mir aber grundsätzlich auf schaukelnden Schiffen schlecht wird, wenn ich nicht die ganze Zeit wie verrückt auf den Horizont starre, versuchte ich zu erklären, dass ich lieber an Deck schlafen würde und eine der Schwestern mein Bett haben darf. Doch diese bestanden darauf, dass ich im Bett und nicht an Deck schlafen solle. Ich gab also mein Bestes, versuchte zu schlafen, was ungefähr eine halbe Stunde lang gut ging, bis mir (trotz Reiseübelkeit-Kaugummi!) schlecht wurde. Ich erklärte, dass ich raus an die frische Luft müsse, setzte mich an Deck auf den Boden und schaute eine Stunde lang auf den Horizont, bis es mir besser ging und ich wieder in das kleine Zimmer zurück schlich. Dort schlief ich wieder eine halbe Stunde, ging dann wieder raus um eine Stunde auf den Horizont zu schauen, ging wieder rein, … So verlief meine Nacht auf der Fähre in einer Endlosschleife. Aber der Sonnenaufgang sah toll aus und dann konnte man auch schon bald Nias sehen. Die Fähre legte in Gunungsitoli an, wo wir mit dem Auto abgeholt und nach Fodo in das Rehazentrum gefahren wurden, in dem wir unser Jahr verbringen.

Endlich anzukommen war ein komisches Gefühl. Wir stiegen aus dem Auto aus, sehr verschwitzt, total übermüdet (zumindest ich - Doreen hatte gut geschlafen) und etwas überfordert und wurden direkt von ganz vielen kleinen und großen Kindern umarmt, wahlweise auch an den Beinen umklammert. Dann gab es für Doreen und mich erst mal noch einen Willkommens-Kuchen (einen knallgrünen diesmal - der schmeckte aber besser, als er aussah!) und direkt nach dem Kuchen auch gleich Mittagessen (richtig: Reis mit Fisch!).
Danach bekamen wir unsere Zimmer gezeigt, so konnten wir auspacken und uns dann endlich mal richtig einrichten und mitgebrachte Fotos etc. an die Wände hängen. Da unsere Zimmer allerdings in den Berg hineingebaut sind und die Luftfeuchtigkeit hier sowieso extrem hoch ist, schimmeln alle Dinge in den Schränken (und die Schränke selbst) ziemlich schnell, weswegen wir vor einigen Tagen endlich offene Regale anstelle der Schränke für unsere Zimmer bekommen haben.

Mein Badezimmer
Mein Zimmer
Mein Zimmer

Die ersten zwei Wochen im Projekt durften Doreen und ich in allen Arbeitsbereichen wie wir wollten, reinschauen und mithelfen und uns ausprobieren. Da gibt es zum Beispiel das Spielzimmer, die Küche, die Nähkammer (in der die älteren Patienten arbeiten können, da es für sie aufgrund ihrer Behinderung oft schwer wäre, woanders eine Arbeit zu finden) und der Physiotherapieraum.
Die Kinder, aber auch die älteren Patienten und Mitarbeiter sind alle sehr nett, so konnten wir uns insgesamt gut einarbeiten und haben uns schnell eingelebt. Vieles ist natürlich noch schwer, vorallem die Verständigung fällt noch nicht so leicht. Wenn fünf kleine Kinder gleichzeitig auf Indonesisch auf einen einquatschen, kann man am Ende echt stolz auf sich sein, wenn man zumindest ein paar Wörter verstanden hat!

Da anscheinend mit unserem Visum doch noch nicht alles geklärt war, sind wir diese Woche noch mit zwei Schwestern aus dem Projekt zur Polizei nach Gunungsitoli gefahren, ausgerüstet mit Reisepass-Kopien und diversen anderen Unterlagen. Die Männer dort schauten sich unsere Unterlagen gründlich an, dann sollten dort noch ein paar Formulare für uns erstellt und gedruckt werden, die wir wohl brauchen. Das mit dem Ausdrucken gestaltete sich allerdings als eher schwierig, als der Strom plötzlich mal wieder ausfiel. Wir fuhren also zurück und am nächsten Tag noch einmal hin.
Stromausfälle gibt es hier mindestens alle zwei oder drei Tage (manchmal aber auch drei mal am selben Tag!). Als es das erste mal passierte, saßen wir mit den Schwestern beim Abendessen, draußen war es schon dunkel. Plötzlich war das Licht weg, es leuchtete nur noch eine klitzekleine Notlampe, aber alle Schwestern aßen munter weiter und taten so, als sei nichts. Doreen dagegen warf mir einen vielsagenden Blick zu - oder vielleicht eher einen nichtssagenden, ich konnte zumindest nicht viel erkennen bei dem Dämmerlicht.

Vor drei Tagen kamen Menschen von einem indonesischen Radiosender zu Besuch in das Rehazentrum. Es gab eine große Feier, bei der viel gesungen und getanzt wurde (teilweise haben auch die Kinder etwas vorgesungen oder vorgetanzt - was mit Schienen an den Beinen echt super süß aussieht!), zwischendurch wurden immer wieder Reden gehalten. Danach bekamen die Kinder noch kleine Hefte mit Bleistift und Lineal geschenkt, worüber sich alle sehr freuten.


Das Abendessen brachten auch die Leute vom Radiosender für alle mit. Jeder bekam eine kleine Box mit Essen, das - der Aufschrift der Box nach - von einem "Warung", einem kleinen Straßenimbiss, kam. Das Essen schmeckte unglaublich gut, unter anderem weil es mal Hähnchen statt Fisch zum Reis gab, mein Bauch beklagte sich allerdings schon nach einer halben Stunde mit ziemlichen Schmerzen. Aber keine Sorge - diesmal blieb es bei Bauchschmerzen. Und selbst diese waren nach einer Stunde wieder weg.

Da die ersten zwei Wochen für mich und Doreen hier im Projekt ja jetzt schon vorbei sind, fangen wir morgen auch endlich an, richtig zu arbeiten, samt festen Arbeitszeiten und zum Großteil getrennten Aufgabenbereichen; also allem, was halt so dazu gehört. Ich freue mich sehr auf die kommende Zeit und bin gespannt, was ich demnächst alles zu berichten haben werde!