Natürlich ist in der vergangenen Zeit nicht gerade wenig passiert, darum will ich versuchen, in diesem Blogeintrag von den (aus meiner Sicht) wichtigesten Dingen zu erzählen.
Für die
ersten drei Monate war ich ja zum Arbeiten in Spielzimmer und Physiotherapie
eingeteilt, wobei ich deutlich mehr Zeit im Spielzimmer verbracht habe. Dort
habe ich weiterhin mit den Kindern auch viel lesen, schreiben und rechnen geübt
(fürs Lesen und Schreiben habe ich vor einigen Wochen spezielle Übungshefte in
der Stadt gekauft), ansonsten Ball gespielt, Klatschspiele ausprobiert,
Kartenspiele erklärt, gepuzzelt und natürlich weiterhin viel mit den Kindern
gemalt.
Um mit
den Kindern zu malen, hatte ich ja aus Deutschland die Öl-Pastell-Stifte
mitgebracht. Einigen Kindern habe ich unter anderem gezeigt, wie man damit
schöne Farbübergänge erschaffen kann, wie beispielsweise bei einem Regenbogen.
Außerdem gibt es im Spielzimmer natürlich auch noch ganz normale Buntstifte und
sogar etwas Straßenmalkreide von unseren Vorfreiwilligen habe ich dort noch im
Schrank gefunden, mit der ich die Kinder draußen auf dem Weg vor dem
Spielzimmer sich selbst habe malen lassen; dabei hat sich immer ein Kind auf
den Boden gelegt und ein anderes Kind mit der Kreide den Umriss nachgefahren.
Danach durften die Kinder ihren Kreide-Ichs noch Klamotten, Gesichter und Haare
anmalen.
Zusammen
mit Doreen habe ich inzwischen auch schon einige größere Mal-Aktionen
gestartet, bei denen die Kinder sich unter unserer Anleitung kreativ mit
Fingerfarbe austoben konnten. Dabei sind echt tolle Bilder entstanden, auf die
die Kinder selbst größtenteils auch ziemlich stolz sind. Egal ob Hand- und
Fußabdrücke, einfachen Spuren mit Kamm und Spielzeugauto in der Farbe oder bunt
gesprenkelten Abdrücken verschiedener Blätter - jedes Bild ist ein Kunstwerk
für sich.
Doreen und ich wollten aber auch gerne noch andere größere Aktionen mit den Kindern auf die Beine stellen, daher haben wir vor kurzem begonnen, den Kindern einen Tanz beizubringen. Was sich als schwieriger herausstellte, als es klingen mag. Erst einmal mussten wir einen geeigneten Tanz finden, den wir unseren Kindern leicht beibringen können - nach langem Grübeln erinnerte ich mich an "KiKa-Tanzalarm" aus meiner Kindheit. Der zweite Schritt war es nun, erstmal selbst den Tanz zu lernen, außerdem übersetzten wir den Text des Liedes in die indonesische Sprache. Den Kindern letztendlich den Tanz beizubringen, ist unkomplizierter als befürchtet, da die Kinder Spaß dabei haben und immer aufmerksam bei der Sache sind. Aber komplett können sie den Tanz noch lange nicht - wir bleiben auf jeden Fall dran!
In der
Physiotherapie war ich etwas seltener, konnte dort aber auch schon einige Male
zuschauen und Fragen stellen und somit herausfinden, wer was genau hat oder
hatte, was hilft und was noch gemacht werden sollte, bzw was jeweils das genaue
Ziel der Physiotherapie ist. Kleinere Dinge, wie z.B. das Bestrahlen mit
Rotlicht und ein bisschen Massieren konnte ich hierbei auch schon übernehmen.
Damit ihr
mal einen konkreteren Eindruck von meinem Alltag bekommt, ist hier mal mein
Tages- bzw Wochenablauf:
Montag, Mittwoch, Donnerstag
5:30 Uhr
- aufstehen, waschen, Zähne putzen, anziehen
6:00 Uhr
- beim Frühstück der Kinder helfen
6:30 Uhr
- gemeinsames Frühstück mit Mitarbeitern und älteren Patienten
7:00 Uhr
- Morgensport mit den Kindern
7:30 Uhr
- Morgengebet
7:50 Uhr
- wenn das Wetter gut ist eventuell noch 15 Minuten mit den Kindern spazieren
gehen, danach Spielzimmer/ Physiotherapie
10:00 Uhr
- Minum (Zwischenmahlzeit) zusammen mit den Kindern, älteren Patienten und
Mitarbeitern
10:30 Uhr
- Spielzimmer/ Physiotherapie
12:00 Uhr
- beim Mittagessen der Kinder helfen
13:00 Uhr
- gemeinsames Mittagessen mit Mitarbeitern und älteren Patienten
13:30 Uhr
- Mittagspause (Freizeit)
15:00 Uhr
- beim Wecken, Duschen und Anziehen der Kinder helfen
15:30 Uhr
- Minum für die Kinder
16:00 Uhr
- Spielzimmer/ Physiotherapie
17:00 Uhr
- Pause zum Duschen (Freizeit)
18:00 Uhr
- beim Abendessen der Kinder helfen
18:30 Uhr
- gemeinsames Abendessen mit Mitarbeitern und älteren Patienten
19:00 Uhr
- Freizeit
Dienstag, Freitag
5:30 Uhr
bis 17:00 Uhr - wie Montag, Mittwoch, Donnerstag
17:30 Uhr
- beim Abendessen der Kinder helfen
18:00 Uhr
- umziehen, fertig machen für die…
18:20 Uhr
- …gemeinsame Messe in der Kapelle
19:00 Uhr
- gemeinsames Abendessen mit den Schwestern und dem Pastor
20:00 Uhr
- Freizeit
Samstag
5:30 Uhr
bis 7:50 Uhr - wie Montag bis Freitag
Ab 7:50
Uhr - Freizeit (zum Minum und Mittagessen können wir kommen, können aber auch wegbleiben, falls wir einen Ausflug machen wollen)
15:00 Uhr
- beim Wecken, Duschen und Anziehen der Kinder helfen
15:30 Uhr
- Freizeit
18:00 Uhr
- beim Abendessen der Kinder helfen
18:30 Uhr
- gemeinsames Abendessen mit den Mitarbeitern und älteren Patienten
19:30 Uhr
- gemeinsames Beten im Aufenthaltsraum
20:10 Uhr
- Freizeit
Sonntag
7:00 Uhr
- aufstehen, waschen, Zähne putzen, anziehen
7:30 Uhr
- gemeinsames Frühstück mit den Schwestern
8:30 Uhr
- Freizeit
10:00 Uhr
- gemeinsame Messe in der großen Kirche im Ort
12:00 Uhr
- gemeinsames Mittagessen mit den Schwestern und dem Pastor
13:00 Uhr
- Freizeit
19:00 Uhr
- gemeinsames Abendessen mit den Schwestern
20:00 Uhr
- Freizeit
Diese
Woche haben Doreen und ich unsere Arbeitsbereiche getauscht. Wenn man in meinem
Tagesablauf Spielzimmer/ Physiotherapie durch Küche/ Nähzimmer ersetzt, bleibt
sonst allerdings alles beim Alten und wenn ich mit Doreen zusammen weiterhin
coole Aktionen für die Kinder machen will, kann ich einfach in Küche/ Nähzimmer
kurz Bescheid geben (so wie Doreen es bisher immer getan hat) und dann ist das
auch okay.
Beim
Frühstück, Mittag- und Abendessen füttere ich immer ein bestimmtes Kind, das -
na ja - mich ab und an richtig in den Wahnsinn treibt. Sie ist mit ihren drei
Jahren die Jüngste hier im Projekt, ist eigentlich ein zuckersüßes Kind, hat
aber einen ganz schönen Sturkopf. Sie spuckt gerne ihr Gemüse immer und immer
wieder aus, schläft beim Mittagessen ein und bekommt einen Schreikrampf, wenn
man sie wieder weckt. Aber inzwischen klappt es doch meist ganz gut mit ihr.
So sieht ein Becak aus |
Sofern wir dann mal am Ziel (oder irgendwo anders - wer weiß das schon so genau!) angekommen sind, laufen Doreen und ich gerne einfach planlos durch die Straßen und Gassen, auf kleinere Hügel oder auch einfach zum Meer und bekommen so ein besseres Bild von unserer Umgebung. Die eigentliche Herausforderung dabei ist dann meist, in diesen doch eher abgelegenen Gegenden wieder ein Becak zu finden, das uns dann auch zurück nach Hause bringt.
In
unserer restlichen Freizeit spielen Doreen und ich ab und zu gern Volleyball,
dafür gibt es neben der Kirche im Ort tatsächlich auch ein Feld. Einen
Volleyball haben wir uns vor einiger Zeit in der Stadt gekauft und wenn wir uns
zu zweit auf das Feld stellen und ein bisschen üben, kommen meist recht schnell
auch noch andere Leute dazu, die mit uns gemeinsam Volleyball spielen wollen.
Und auch wenn meine Volleyball-Skills ziemlich grottig sind (von dem halben
Jahr Schulsport-Volleyball in der K1 ist leider nicht allzu viel hängen
geblieben), macht es mir auf jeden Fall sehr viel Spaß!
Am 7.
November hatte ich Geburtstag - es war für mich der erste Geburtstag, an dem
ich nicht zuhause war. Aber Doreen hat sich ganz viel Mühe gegeben, den Tag für
mich richtig schön zu gestalten, kam morgens mit einer Kerze, Luftballons und
Geschenken (von ihr und von meiner Familie) in mein Zimmer und hat für mich
gesungen. Während der Arbeit vormittags hat sie es geschafft, mit einer
Schwester in die Stadt zu fahren, ohne dass ich etwas davon mitbekommen habe,
um mir als Überraschung noch eine Geburtstagstorte zu kaufen, die wie ein
Kunstwerk aussah und wirklich fantastisch geschmeckt hat. Alles in allem war
dieser Tag für mich zwar ziemlich anders als sonst, aber auf eine Art und Weise
dennoch toll und sehr gelungen.
Mein
Leben und mein Alltag haben sich ohne Frage enorm verändert seit ich in
Indonesien bin. Eine der umfassendsten Veränderungen stellt für mich die
Tatsache dar, dass ich hier mit viel mehr Einschränkungen zu leben haben, als
in Deutschland. Ich kann nicht einfach so und zu jeder Zeit das Projekt
verlassen, ich muss immer vorher fragen. Ich muss zu bestimmten Zeiten wieder
zurück sein und kann nicht einfach (wenn mir halt mal danach ist) meine Jacke
schnappen und alleine loslaufen, in irgendeine Richtung, bis ich in Ruhe zuende
nachgedacht habe. Ich muss mich für alles rechtfertigen, immer erklären, warum
ich gerade was machen will. Damit umzugehen, ist nicht ganz einfach, aber
Doreen und ich haben inzwischen ein paar Wege gefunden, diese Dinge zu ersetzen. Wenn uns gerade danach ist, legen wir uns manchmal nach dem Abendessen draußen
auf den Asphalt und schauen einfach nur ganz lang in den Sternenhimmel. Und vor
einigen Tagen, als wir beide das Gefühl hatten, uns dringend ein bisschen
bewegen zu müssen, sind wir nach dem Abendessen die Straße runter zur
Grundschule gelaufen (die ist nur ein paar Meter weiter, eigentlich direkt
neben dem Rehazentrum) und sind im Regen auf dem Schulhof - dem einzigen
annähernd großen, freien Platz hier in der Nähe - im Kreis gerannt, eine Runde
nach der anderen. Dabei bin ich in alle Pfützen gesprungen, die ich finden
konnte (vielleicht habe ich auch welche übersehen, es war ja schon dunkel!) und
als wir schließlich erschöpft waren, haben wir uns auf den nassen Asphalt
gelegt und die Regentropfen auf unserer Haut gespürt. Da ich, als wir
zurückkehrten, sowieso schon pitschnass war, stellte ich mich auch gleich noch
unter die Dusche (bzw Schöpfkelle - Dusche gibt es ja keine!), der Einfachheit
halber samt meinen Klamotten - die waren ja sowieso schon durchnässt.
Letzten
Samstag war der 2. Dezember. Vor einem Jahr am 2. Dezember fing unser erstes
Vorbereitungsseminar in Salzkotten an, das war der Tag an dem Doreen und ich
uns kennen gelernt haben. Dass wir uns erst seit einem Jahr kennen, ist
eigentlich verrückt, ich habe ein bisschen das Gefühl, ich kenne sie schon mein
halbes Leben.
Um den
Geburtstag unserer Freundschaft ein bisschen zu feiern, sind wir in der Stadt
essen gegangen - es hat hervorragend geschmeckt (nicht nur, weil es nicht Reis
mit Fisch, sondern Nudeln mit Hähnchen gab!).
Anschließend
wollten wir eigentlich direkt zurück fahren, allerdings entdeckte ich am
Straßenrand eine schlafende, kleine Babykatze und wer mich kennt, weiß, dass
ich da nicht einfach so dran vorbei gehen kann. Als ich sie gestreichelt habe,
ist sie zwar aufgewacht, war aber sofort zutraulich und wollte weiter
gestreichelt werden. Sie war total dünn und machte einen ziemlich kläglichen
Eindruck auf mich, daher erkundigten wir uns bei den Menschen aus dem Laden
nebenan, ob sie denn keine Mutter mehr habe. Nein, die Babykatze sei alleine,
lautete die Antwort.
Ich
schätze die Überlebenschancen einer mutterlosen, kleinen Babykatze generell
nicht unbedingt sehr hoch ein, aber noch geringer schätze ich die
Überlebenschancen einer mutterlosen, kleinen Babykatze im Zentrum einer großen,
indonesischen Stadt direkt neben der vielbefahrenen Hauptstraße ein. Ich
beschloss, dass es Zeit wurde, mal auf mein Bauchgefühl zu hören, das in dem
Fall sagte: Nimm die Katze einfach mit!
Da ich
nicht besonders viel Erfahrung im Kidnappen von kleinen Katzen habe, zog ich
einfach meine Jacke aus, errichtete dauraus quasi ein Nest für die Katze,
setzte sie hinein und wir beeilten uns, ein Becak zu finden, dass uns
schnellstmöglich zurück ins Rehazentrum bringt. Falls der Becak-Fahrer
verwundert war, ließ er es sich auf jeden Fall nicht anmerken.
Im
Projekt leben noch einige andere Katzen, die irgendwann mal beschlossen haben,
hier zu bleiben, weil es sich im Rehazentrum ganz gut (über)leben lässt; sie
essen das, was beim Essen der Kinder auf den Boden fällt (was eine Menge ist!)
und die Fischabfälle, die draußen in einer offenen Tonne gesammelt werden. Die
Katzen werden von den Leuten hier zwar geduldet, aber wir wussten, dass die
Schwestern sicher nicht begeistert davon wären, wenn sie wüssten, dass wir
jetzt auch noch fremde Katzen aus der Stadt mit ins Projekt bringen, also haben
wir das kleine Katzenbaby einfach still und heimlich ins Projekt geschmuggelt
("Oh, ein neues Katzenbaby, wo kommt denn das auf einmal her?").
Doreen
und ich beschlossen, dass wir der kleinen Katze einen Namen geben würden, wenn
sie nach drei Tagen immer noch hier im Projekt sei - sie hätte ja auch einfach
wieder fortgehen und weiterziehen können.
Die
Babykatze heißt jetzt Namira (das
bedeutet soviel wie Tigerin), hat sich
gut eingelebt und meiner Meinung nach auch schon ein bisschen an Gewicht zugenommen.
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